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Eva und die Apfelfrauen

Eva und die Apfelfrauen

Titel: Eva und die Apfelfrauen
Autoren: Tania Kraetschmar
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Julika öffnete rasch das Fenster und ließ die milde Brise herein.
    Â» Das ist keine Reise. Das ist ein Umzug aufs Land « , sagte Marion. » Genau wie bei Tschechows Kirschgarten. Die reichen Russen sind früher immer von Moskau oder St. Petersburg den Sommer über aufs Land gezogen. Nur dass wir noch einen Apfelgarten haben. Wir sind doch noch nicht mal zehn Minuten unterwegs, Dorothee, und du packst schon den Picknickkorb aus. Aber weißt du was– gib mir auch ein Ei. «
    Â» Die reichen Russen fahren immer noch aufs Land. Von Berlin an die Côte d’Azur zum Beispiel, wo ihre fetten Jachten liegen. Ich will auch ein Ei « , meinte Nele. » Hast du Salz? Sonst kriege ich das nicht runter. « Dorothee nickte und reichte ihr einen winzig kleinen Salzstreuer.
    Â» Für mich auch eins, bitte « , sagte Eva. » Julika? «
    Die seufzte. » Na, gebt schon eins her. Mitgehangen, mitgefangen. Und wenn’s nur Eier sind. «
    Als sie wenige Wochen zuvor zum ersten Mal nach Wannsee gefahren waren, war es ihnen unendlich weit vorgekommen, wahrscheinlich wegen des drückenden Schweigens, das damals im Wagen geherrscht hatte. Diesmal ging die Zeit viel schneller vorüber. Sie hatten nicht mal alle Einrichtungsfragen ausdiskutiert, als die Landstraße eine Biege machte und vor ihnen plötzlich das gelbe Ortsschild auftauchte.
    In diesem Moment rief Eva alarmiert: » Vorsicht, Julika! «
    Julika bremste scharf– gerade noch rechtzeitig, um einen Zusammenstoß mit einem Traktor zu vermeiden, der von einem Feldweg in die Dorfstraße einbog, ohne sich um den Verkehr zu kümmern. Was unter anderem daran liegen mochte, dass der Bauer unter seiner Schirmmütze Kopfhörer aufhatte. Julika drückte empört auf die Hupe. Das hörte der Traktorfahrer anscheinend, denn er drehte sich um und tippte sich bedeutungsvoll an die Stirn. Und das war nicht das Einzige, was er tat: Er bremste und fuhr jetzt so langsam vor ihnen her, dass Julika in den ersten Gang herunterschalten musste. Ganz zu schweigen von den schweren Brocken Erde, die mit jeder Umdrehung der großen Räder abfielen und gegen ihr Auto klatschten.
    Â» Idiot. Der glaubt, er muss uns eine Lehre erteilen « , murmelte sie.
    Sie schaute in den Rückspiegel. Der Umzugswagen klebte an ihrer Stoßstange, aber die beiden Männer sahen entspannt aus. Was kein Wunder war. Sie wurden ja auch nach Stunde bezahlt.
    Â» Was der wohl hört? « , fragte Marion.
    Â» Na, was schon! Wahrscheinlich irgendeine fürchterliche Hansi-Hinterstadl-Musik « , meinte Nele entnervt.
    Ihre Wagenkolonne bewegte sich jetzt im Schneckentempo. Und es kam noch schlimmer. Als sie nach gefühlten zwei Stunden das Ende des Dorfes erreichten und ihr Haus endlich in Sicht kam, setzte der Fahrer den Blinker– und fuhr direkt in die Einfahrt neben dem Staudenroos-Haus.
    Â» Schau mal, Nele « , meinte Eva und zeigte auf den Traktor, der auf den gepflasterten Hof rumpelte. » Da hast du deinen netten Nachbarn! Den wolltest du doch so gern, oder? «
    Â» Stimmt « , murmelte Nele und schaute dem Gefährt hinterher. » Genau so habe ich ihn mir vorgestellt. « Sie seufzte.
    Julika bremste. » Wir machen lieber das Tor auf, damit der Bürgermeister keinen Herzkasper bekommt. Und ich nicht noch einen Strafzettel « , sagte sie.
    Eva stieg aus und schloss das Holztor auf. Während sie den zweiten Flügel entriegelte, damit die Wagen aufs Grundstück fahren konnten, warf sie am Haus vorbei einen Blick in Richtung Land.
    Wann immer sie an den Apfelgarten gedacht hatte, hatte er in prachtvoller Blüte gestanden. Doch davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Die Bäume trugen frische Blätter, saftig grünes Gras suchte sich seinen Weg durch die vertrockneten gelbbraunen Büschel der Obstbaumwiese.
    Auch die Felder hatten sich verändert. Sie lagen nicht länger brach. Unzählige Reihen kleiner Pflanzen zogen sich in Richtung eines Wäldchens. Auf dem anderen wuchs Getreide, das wogte wie ein grünliches Meer, als der Wind darüberstrich. Zwischen beiden Feldern wand sich ein sandiger Feldweg. Hübsch sah das aus. Idyllisch.
    Und noch etwas war anders, fand Eva und schnupperte. Im Gegensatz zu ihrem ersten Besuch roch es durchdringend nach Schweinestall.
    Â» So, das wär’s « , sagte das Alphatier mit dem breiten Kreuz– der Fahrer des Umzugswagens–
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