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Eva und die Apfelfrauen

Eva und die Apfelfrauen

Titel: Eva und die Apfelfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Kraetschmar
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sie. Der Wannsee mochte nicht das Mittelmeer sein, aber sie konnte es trotzdem kaum abwarten, sich hineinzustürzen!
    Doch Dorothee antwortete nicht, sie schaute unschlüssig auf die dunkle Fläche. Irgendwie war der See unheimlich…

10. Kapitel
    Â» Nein « , sprach Schneewittchen,
» ich darf nichts annehmen. «
» Fürchtest du dich vor Gift? « , sprach die Alte.
» Siehst du, da schneide ich den Apfel
in zwei Teile; den roten Backen iss du,
den weißen will ich essen. «
    Gebrüder Grimm
    Die kleine Glocke an der Tür bimmelte, als Marion Gaby’s Friseursalon betrat.
    Â» Guten Tag « , sagte sie laut in den leeren Raum hinein.
    Sie blickte sich um. Im Fenster stand immer noch der Styroporkopf mit der staubigen Dolly-Parton-Perücke. Die rosafarbene Rüschengardine war aufgezogen, das Sonnenlicht fiel auf die farbgleichen Wände, der PVC -Belag war abgetreten. An der linken Seite des Raumes befanden sich drei Waschbecken mit schwarzen Kunststoffstühlen auf Rollen, rechts standen zwei vergilbte Trockenhauben, von deren Gestellen die Chromlegierung abblätterte. Noch zwei Minuten zuvor hätte Marion darauf gewettet, dass es diese Dinger nicht mehr gab. So was hatte sie zuletzt als Kind in einem Katalog eines Versandhauses gesehen. Auf beiden Seitenwänden hingen nierenförmige Spiegel, in denen sich ihr Gesicht bis in alle Ewigkeit fortsetzte. Und über der Kasse war eine gerahmte Meisterurkunde angebracht, ausgestellt auf Gabriele Schlomske, Potsdam, den 2.Februar 1974.
    Â» Hallo, hallo « , sagte eine sehr korpulente Frau von vielleicht sechzig Jahren, die durch einen Perlenvorhang in den Salon gewatschelt kam und sich dabei einen rosafarbenen Nylonkittel zuknöpfte. » Wie kann ich helfen? «
    Â» Haben Sie Zeit? « , fragte Marion. » Jetzt gleich? Waschen, Ansatz färben, föhnen? «
    Â» Aber klar doch « , sagte die Frau und schaute sie kritisch an. » Blond hab ich noch ein paar Tuben da. « Anscheinend gab es für sie im gesamten Haarfarbenspektrum nur ein Blond. » Auch ’ne Dauerwelle? « Sie fingerte in ihrer eigenen haarspraygesteiften Lockenpracht.
    Â» Nein, nein « , beeilte Marion sich zu sagen.
    Die Friseurin kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, sodass sie in ihrem speckigen Gesicht praktisch verschwanden. » Ich kenn dich. Du bist doch eine von denen, die jetzt in Annas Haus wohnen. Ich bin die Gaby Schlomske. Einfach Gaby. In Wannsee duzen wir uns alle. Bis auf Sauert. «
    Marion nickte. » Ja, ich weiß. Ich bin Marion. Wo soll ich mich hinsetzen? «
    Gaby machte eine ausholende Handbewegung. » Wo du magst. Moment, ich hol nur noch ein paar Handtücher. «
    Marion nahm Platz, und die Friseurin verschwand zwischen den klimpernden Perlenschnüren. Kurz darauf kehrte sie zurück. Die bunten Handtücher, die sie neben das Waschbecken legte, erinnerten Marion an die Sorte, die sie zu Hause in Berlin hatte. Die sie gern zerschnitt, um sie als Putzlappen zu nehmen.
    Â» Na, dann beug dich mal nach vorne « , sagte Gaby vertraulich.
    Â» Bitte, was? « , fragte Marion alarmiert.
    Â» Nach vorn beugen! « , sagte Gaby resolut. » So ’n modischen Kram wie ’n Waschbecken nach hinten gibt’s hier nicht. Ich hab das immer so gemacht, so mit kopfüber. Und hier, stopf dir mal das Handtuch in den Kragen. Sonst wird deine Bluse ganz nass. «
    Marion gehorchte. Sie starrte in ein rosafarbenes Porzellanbecken, durch das quer ein feiner Riss lief. Gaby hantierte eine ganze Weile an den Wasserhähnen herum, bis sie mit der Temperatur zufrieden schien, dann hielt sie den ausziehbaren Schlauch über Marions gebeugten Kopf.
    Â» Gut so? « , fragte sie.
    Â» Ja, danke. «
    Mit geschlossenen Augen spürte Marion, wie Gaby Haarwaschmittel auftrug. Dann begann sie es so energisch zu verteilen, als sei Marions Haar ein alter Teppich, der dringend shampooniert werden musste. Vorsichtig öffnete Marion die Augen, lugte zwischen ihren nassen Haarfransen hervor– und zuckte zusammen. Denn der wässrige Schaum, der nun ins Waschbecken lief, war grau.
    Â» Was ist denn das für ein Shampoo? « , fragte sie gedämpft.
    Â» Ganz normales vom Discounter « , gab Gaby zurück. » Is’ nich’ so teuer. «
    Â» Ist es für dunkles Haar? «
    Â» Ach, weil es grau ist? Nein, nein. Ich war nur vorhin im Garten, Möhren

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