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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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und ein T-Shirt mit einem Dinosaurier flatterten lustig im Wind. Sie hatte gerade eine schwarze Spitzenunterhose aus dem Wäschekorb genommen, als Sejer vor dem Haus auftauchte, und nun stand sie mit der Hose in der Hand da und wußte nicht so recht, wohin damit.
    »Ich hatte es ja nicht weit«, erklärte er höflich und vermied es, ihre Unterwäsche anzusehen. »Deshalb bin ich einfach vorbeigekommen. Aber hängen Sie doch zuerst die Wäsche auf.«
    Sie hängte in aller Eile alles auf und nahm den Wäschekorb unter den Arm.
    »Ist Ihr Sohn nicht zu Hause?«
    »Der ist in der Garage.«
    Sie zeigte ihm, wo die Garage lag. »Da ist er immer mit seinem Vater gewesen. Früher. Hat zugesehen, wie der am Auto herumgebastelt hat. Manchmal geht er noch immer hin, und dann sitzt er nur da und starrt die Wand an. Nach einer Weile kommt er wieder zum Vorschein.«
    Sejer sah zur Garage hinüber, einer grünen Doppelgarage, dieselbe Farbe wie das Haus. Dann folgte er Frau Einarsson in die Wohnung.
    »Was ist denn los, Frau Einarsson?« fragte er ganz direkt. Sie standen vor der Wohnzimmertür. Frau Einarsson stellte den Wäschekorb auf den Boden und strich sich ein paar gebleichte Haarsträhnen aus der Stirn.
    »Ich habe meinen Bruder angerufen. Er ist in Stavanger, bei der Eisenwarenmesse. Es war ein Overall. Sie wissen schon. So ein grüner Nylonoverall mit vielen Taschen. Mein Mann hat ihn immer angezogen, wenn er am Auto gearbeitet hat, und sonst hat er ihn im Kofferraum aufbewahrt. Ich habe danach gesucht, ich wußte noch, daß er ziemlich viel gekostet hatte. Und er wollte ihn zur Hand haben, falls er unterwegs am Auto etwas reparieren müßte, hat er gesagt. Mein Bruder wollte den Overall deshalb auch haben. Als ich den im Auto nicht finden konnte, habe ich in der Garage gesucht. Aber da war er auch nicht. Er ist ganz einfach verschwunden. Der Overall und eine große Taschenlampe.«
    »Haben Sie bei uns danach gefragt?«
    »Nein, die Polizei darf doch sicher nichts aus einem Auto entfernen, ohne Bescheid zu sagen?«
    »Natürlich nicht. Aber sicherheitshalber werde ich das überprüfen. Er hatte den also immer bei sich?«
    »Immer. Er war sehr ordentlich, wenn es um das Auto ging. Er ist niemals ohne Reservekanister losgefahren. Und er hatte auch immer Motoröl und Spülerflüssigkeit und eine Kanne mit Wasser dabei. Und den grünen Overall. Die Taschenlampe könnte ich übrigens auch selber brauchen, manchmal brennen hier die Sicherungen durch. Die Stromanlage ist schlecht in Schuß, sie müßte erneuert werden. Aber die Hausverwaltung taugt ganz einfach nichts, sie erhöhen einmal pro Jahr die Miete und behaupten, sie sparten für Balkons. Aber das werde ich wohl nicht mehr erleben. Ja, ja, wie gesagt, das war ein Overall.«
    »Das ist wirklich gut zu wissen«, lobte er sie. »Gut, daß es Ihnen eingefallen ist.«
    Und für den Mörder war es auch gut, überlegte er. Er konnte den Overall über seine eigene blutige Kleidung anziehen.
    Sie errötete kleidsam und nahm wieder den Wäschekorb hoch.
    Es war ein riesiges Teil aus türkisem Kunststoff, und wenn sie ihn so wie jetzt auf die Hüfte stemmte, erhielt sie eine seltsame und ziemlich schiefe Positur.
    »Ich habe Ihrem Kleinen einen Ausflug mit dem Auto versprochen. Darf ich ihn aus der Garage holen?«
    Sie sah ihn überrascht an.
    »Aber sicher. Aber danach müssen wir weg, es darf also nicht zu lange dauern.«
    »Nur einen kleinen Ausflug.«
    Er ging aus dem Haus und steuerte die Garage an. Jan Henry saß auf einem Arbeitstisch vor der einen Wand und baumelte mit den Beinen. Er hatte Öl an den Turnschuhen. Als er Sejer erblickte, fuhr er leicht zusammen, dann erhellte sich sein Gesicht.
    »Heute bin ich mit dem Streifenwagen da. Und deine Mutter hat mir erlaubt, mit dir einen kleinen Ausflug zu machen, wenn du Lust hast. Du kannst das Martinshorn ausprobieren.«
    Jan Henry sprang von dem ziemlich hohen Tisch und brauchte einige Schritte, um das Gleichgewicht wiederzufinden.
    »Ist das ein Volvo?«
    »Nein, ein Ford.«
    Jan Henry lief voraus, und Sejer musterte seine Waden, die fast unnormal dünn und weiß waren. Auf dem Vordersitz des Wagens verschwand der Kleine fast, und es war schwer, den Sicherheitsgurt vorschriftsmäßig zu schließen, aber er ließ es darauf ankommen. Jan Henry konnte gerade über das Armaturenbrett hinwegschauen, wenn er den Hals lang machte. Dann ließ Sejer den Wagen an und fuhr los. Eine Zeitlang war alles still, sie hörten nur das

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