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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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habe ich ihn gefunden.«
    Sejer spürte, wie sein Blutdruck stieg, aber da der sonst niedrig war, führte das in seinem durchtrainierten Körper kaum zu physischen Veränderungen. Der Junge hatte die Hand in die Tasche gesteckt. Jetzt zog er sie heraus, und zwischen seinen Fingern steckte ein zerknüllter Zettel.
    Sejers Hände zitterten, als er den Zettel auseinanderfaltete und las.
    Dort standen der Name Liland und eine Telefonnummer. Die Hälfte des Zettels war abgerissen, vielleicht hatte dort noch mehr gestanden. Liland?
    »Spitzenarbeit, Junge!« sagte er und schenkte Mineralwasser nach. Es war eine Osloer Nummer, die vielleicht rein gar nichts bedeutete. Das wußte er nach fast dreißig Jahren bei der Polizei aus Erfahrung. Die meisten Leute waren eben doch keine Verbrecher, und es war nicht verboten, sich für ein Auto zu interessieren. Schon gar nicht für einen Opel Manta, das waren doch attraktive Wagen, falls jemand lieber deutsche Autos fuhr, überlegte er. Wenn Einarsson wirklich verkaufen wollte. Aber er nickte zufrieden, und es juckte ihn in den Fingern, sich ans Telefon zu setzen, er hätte auch gern eine geraucht, aber er hatte im Dienst nie Drehtabak bei sich, er hatte nur miese trockene Zigaretten, die er anderen aufschwatzte. Jan Henry hatte eine kleine Führung durch das Haus verdient, vielleicht einen Blick in eine Untersuchungszelle und einen Verhörsraum. Einarssons Mörder befand sich nun seit über sechs Monaten auf freiem Fuß, da kam es auf eine Stunde auch nicht mehr an. Sejer nahm den Jungen an der Hand und führte ihn durch die Gänge. Jan Henrys Hand war dünner als die kräftige, mollige Faust von Matteus. Ich darf den Overall nicht vergessen, dachte er und gab sich Mühe, kleine Schritte zu machen. Bei der letzten Zelle blieb er stehen und schloß sie auf. Jan Henry schaute hinein.
    »Ist das das Klo?« fragte er und zeigte auf das Loch im Boden.
    »Ja.«
    »Hier würde ich nicht gern schlafen.«
    »Das brauchst du auch nicht. Hör nur immer schön auf deine Mutter.«
    »Aber der Boden ist warm.«
    Er wackelte in seinen Turnschuhen mit den Zehen.
    »Ja, das stimmt. Die sollen ja schließlich nicht frieren.«
    »Könnt ihr sie durch das Fenster in der Tür sehen?«
    »Ja, das können wir. Komm, wir gehen wieder raus. Ich hebe dich hoch, dann kannst du es selber sehen.«
    Der Kleine flog in seinen Armen nach oben.
    »Genauso habe ich mir das vorgestellt«, sagte er einfach.
    »Das kann ich mir denken. Es sieht aus wie ein Gefängnis, was?«
    »Habt ihr hier viele Gefangene?«
    »Im Moment sind es nur wenige. Wir haben Platz für neununddreißig, aber im Moment haben wir nur achtundzwanzig. Vor allem Männer und ein paar Frauen.«
    »Auch Frauen?«
    »Ja.«
    »Ich wußte gar nicht, daß Frauen auch ins Gefängnis kommen können.«
    »Ach? Hast du vielleicht gedacht, die wären lieber als wir?«
    »Ja.«
    »Dann kann ich dir etwas verraten«, flüsterte Sejer. »Das sind sie auch.«
    »Aber sie dürfen Radio hören. Da läßt einer gerade Musik laufen.«
    »Das kommt von dort.«
    Sejer zeigte auf eine graue Tür. »Dahinter ist das Kino. Und im Moment sehen sie gerade den Film ›Schindlers Liste‹.«
    »Kino?«
    »Wir haben hier alles, was sie brauchen. Bibliothek, Schule, Arzt, Werkstatt. Die meisten arbeiten hier, im Moment montieren sie Kabel für Motorwärmer. Und alle müssen ihre Kleider selber waschen, und sie kochen in der Küche einen Stock höher. Und wir haben einen Turnsaal und einen Aufenthaltsraum. Und wenn sie frische Luft brauchen, dann gehen wir mit ihnen aufs Dach, da können sie dann Spazierengehen.«
    »Dann fehlt ihnen ja überhaupt nichts!«
    »Naja, da bin ich mir nicht so sicher. Sie können bei dem schönen Wetter nicht in die Stadt gehen und sich ein Eis kaufen. Das können wir.«
    »Brechen die auch manchmal aus?«
    »Ja, aber das kommt nicht oft vor.«
    »Schießen sie dann auf die Wärter und stehlen die Schlüssel?« »Nein, so dramatisch ist das meistens nicht. Sie schlagen ein Fenster ein und lassen sich mit einem Seil an der Außenseite des Hauses herunter, und da wartet dann meist jemand mit laufendem Motor. Deswegen haben wir hier auch schon Beinbrüche und die eine oder andere Gehirnerschütterung gehabt. Es geht hier ganz schön tief runter.«
    »Zerreißen die ihr Bettzeug, wie im Film?«
    »Nein, sie stehlen in der Werkstatt ein Nylonseil. Sie sitzen nicht viel in ihren Zellen, weißt du, meistens laufen sie irgendwo im Haus herum.«
    Er nahm den

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