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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sie an und öffnete den Kühlschrank. Der war leer. Nur Butter, Ketchup und eine Flasche Soyasoße. Eva seufzte, dann fiel ihr plötzlich der Stapel Geldscheine ein, und sie lächelte wieder. Was sie jetzt brauchte, war ein eiskaltes Bier. Deshalb zog sie sich ganz schnell an, warf sich den Mantel über die Schultern und trabte zielbewußt zum kleinen Laden an der Ecke. »Omars Laden« öffnete schon um acht Uhr morgens, Gott segne Omar. Und er nahm auch keinen Anstoß daran, daß jemand schon Bier kaufte, wenn andere noch gar nicht aufgestanden waren. Der Laden lag wie ein fremder Vogel in dem ehrwürdigen alten Villenviertel. Viele ärgerten sich darüber, Eva fand es gut.
    Omars Zähne leuchteten kreideweiß vor Begeisterung, als sie in der Tür auftauchte. Sie nahm zwei Bier aus einem Kasten und schnappte sich eine Zeitung und vierzig Prince mild.
    »Ich wünsche einen guten Tag!« Er lächelte aufmunternd. »Das kommt vielleicht noch«, Eva stöhnte. »Noch ist es nicht soweit.« »Ach, ich weiß, daß es ein guter Tag ist. Aber zwei Flaschen sind für einen schlechten Tag zuwenig.« »Da haben Sie im Grunde recht«, sagte Eva. Sie holte noch eine Flasche und bezahlte. »Übrigens, ich habe hier wohl noch eine unbezahlte Rechnung liegen«, sagte sie dann, »die kann ich auch gleich erledigen.«
    »Ach, dann ist es auch für mich ein guter Tag.«
    Er suchte in dem Schuhkarton, in dem er die Rechnungen aufbewahrte. »Siebenhundertzweiundfünfzig.«
    Eva war gerührt. Er hatte dieses Geld nie erwähnt. Sie gab ihm einen Tausender und warf einen Blick auf den Versandhauskatalog, in dem er eben geblättert hatte.
    »Gibt’s da was Spannendes?« fragte sie.
    »Ja, ja, das hier, das kaufe ich für meine Frau. Kommt invierzehn Tagen mit der Post.«
    Eva kniff die Augen zusammen. »Was ist das denn?«
    »Ein Fusselentferner. Praktisch für Pullover und Sofakissen und Möbel. In meinem Land gibt es keine Fussel. Ihr habt hier komische Stoffe.«
    »Ich mag Fusseln«, sagte Eva. »Die erinnern mich immer an alte Teddybären. Der, den ich als kleines Kind hatte, war voll von Fusseln.«
    »Ja, ja«, wieder funkelten seine Zähne. »Eine nette Erinnerung. Aber in meinem Land gibt es auch keine Teddybären.«
    Das Bier war lauwarm. Sie legte eine Flasche unter fließendes Wasser und suchte Majas Nummer im Telefonbuch. Nur, um ihr zu sagen, sie solle das ganze Suffgefasel vom Vorabend vergessen, Eva sei einfach nicht mehr zurechnungsfähig gewesen. Das Telefon war tot. Natürlich, es war ja gesperrt worden. Eva fluchte leise, ging ins Badezimmer, setzte sich auf die Toilette und wickelte sich dabei den Rock um den Bauch. Heute sehe ich immerhin aus wie eine Hure, dachte sie, vielleicht bin ich das ja auch, vielleicht ist heute ein guter Tag für den Anfang. Sie war fertig, ließ ihren Rock zu Boden fallen und verkroch sich wieder im Bademantel. Ging auf den Flur und stellte sich vor den Dielenspiegel, wo sie sich von Kopf bis Fuß sehen konnte. Nur einfach so, dachte sie.
    Eva maß einen Meter dreiundachtzig, und das Längste an ihr waren ihre Beine. Ihr Gesicht war schmal und blaß, die Augen golden, nicht dunkel genug, um »braun« genannt zu werden. Ihre Schultern waren schmal, sie hatte einen außergewöhnlich langen Hals und lange Arme mit dünnen Handgelenken. Ihre Füße waren groß, sie hatte Schuhgröße 41, das war zum Heulen. Ihr Körper war dünn, ein wenig eckig und nicht besonders feminin, aber sie hatte schöne Augen, das hatte zumindest Jostein immer gesagt. Groß und ein wenig schräg, sie standen weit auseinander. Ein bißchen gute Schminke hätte sicher Wunder gewirkt, aber mit Schminke war sie immer ungeschickt gewesen. Ihre Haare hingen einfach nur herab, lang und dunkel mit einem leichten rötlichen Schimmer. Sie beugte sich vor. Die Behaarung ihrer Oberlippe hatte zugenommen. Vielleicht sinkt die Östrogenproduktion, überlegte sie. Ihr Bademantel öffnete sich, sie zog ihn beiseite, um ihr kleinen Brüste, die lange schmale Taille und die Oberschenkel zu sehen, die so weiß waren wie ihr Gesicht. Sie schwenkte ein wenig die Hüften und bewegte ihren Kopf so heftig, daß ihre Haare sich wellten. Wenn Maja mit ihrem kleinen fetten Körper Millionärin werden kann, dann kann ich das mit diesem hier auch, dachte sie tollkühn. Und wieder sah sie den Stapel von Geldscheinen vor sich, dachte daran, woher der stammte, und schüttelte den Kopf. Als begreife sie nicht so recht, was passiert sei, einfach so über

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