Evas Auge
Schubladen und viele Schritte hin und her. Vielleicht war es schon Morgen, vielleicht war es draußen hell, er konnte auch die Vorhänge öffnen und noch einmal mit der Suche beginnen. Und dann würde er wieder in den Schuppen kommen, und dann würde er auch ins Klo schauen, der Gedanke würde ihn plötzlich treffen wie ein Blitzschlag, so, wie er auch Eva getroffen hatte. Sie versuchte, sich vorzustellen, was er sagen würde, wenn er ihren Kopf entdeckte und begriff, daß sie die ganze Zeit hier gesessen hatte, er würde es nicht glauben wollen und wütend werden, oder er würde erschrecken und Angst bekommen, wenn er einfach nur ein unschuldiger Mann war, der mit Fug und Recht das Haus betreten hatte. Aber das glaubte sie nicht. Wieder hörte sie die Tür, hörte, wie der Schlüssel im Schloß umgedreht wurde. Konnte nicht glauben, daß er vielleicht aufbrechen wollte. Auf ihrem Kopf rührte sich kein Haar, aber die Schritte entfernten sich wirklich durch das Heidekraut, und endlich hörte sie das, worauf sie vor allem gehofft hatte, es war fast zu schön, um wahr zu sein. Das Geräusch einer Autotür, die ins Schloß fiel. Eva brach in heftiges Zittern aus. Der Motor brüllte auf, und Eva schluchzte vor Erleichterung. Sie rührte sich noch immer nicht, sie wartete einfach nur, während der Wagen draußen manövrierte, vielleicht setzte er zurück, um im Vorwärtsgang zur Straße zurückfahren zu können. Sie hörte Zweige, die gegen Metall schlugen, und den für einen Moment schwächer werdenden Motor. Er hatte jetzt wohl den Weg erreicht, jetzt schaltete er und fuhr los, und der Motor wurde leiser und leiser, bis er endlich, endlich nicht mehr zu hören war.
Tiefe Ruhe erfüllte sie.
Sie legte die Hände auf den Eimer und atmete auf, schniefte ein wenig, versuchte, die Beine auszustrecken. Ihre Beine waren krumm wie alte Kiefernwurzeln, und ihre Füße spürte sie überhaupt nicht mehr. Mit einer Hand schlug sie die Isoporplatte vom Loch. Es war noch immer dunkel, es schien noch immer mitten in der Nacht zu sein. Die Taschenlampe, dachte sie plötzlich, was ist aus der Taschenlampe geworden? Sie ballte die Fäuste und wollte nicht, aber widerwillig tastete sie dann doch im Dreck herum, zwischen ihren Beinen, in den Ecken, viel Platz gab es hier unten doch nicht, sie mußte die Taschenlampe finden. Sie suchte hinter sich und bekam den eiskalten Metallschaft zu fassen. Vielleicht funktionierte die Lampe nicht mehr. Sie fand den Schalter. Die Lampe funktionierte. Mit einem Seufzer der Erleichterung starrte sie auf ihre Armbanduhr. Es war halb vier. Es würde noch lange dunkel bleiben, sie hatte Zeit genug. Sie schob die Lampe durch die Öffnung und legte sie neben das Loch, dann packte sie die Kante und versuchte, sich hochzuhieven. Ihr Rücken tat weh, und ihre Beine wollten sie fast nicht tragen, aber sie konnte den Kopf durch das Loch stecken, die Schultern hindurchpressen, und plötzlich hatte sie das Gefühl, zu ersticken und nicht schnell genug nach oben kommen zu können. Sie strampelte und keuchte und wand sich, und sie stieß sich mit aller Kraft von der weichen Masse unter ihr ab, zog sich aus dem Loch, blieb quer über dem Klo liegen, zog die Beine hinterher und traf die Taschenlampe, die auf den Boden knallte. Sie starrte den gestreiften Läufer an, der jetzt angeleuchtet wurde, und zog auch noch die Füße aus dem Klo. Setzte die Füße auf den Boden. Die Füße waren wie gelähmt. Aber immerhin stand sie jetzt, sie bückte sich, leuchtete ein letztes Mal mit der Taschenlampe ins Loch und griff nach dem Eimer. Um den hatte sie gekämpft. Jetzt gehörte das Geld ihr. Sie verließ den Schuppen und ging hinüber ins Haus. Das war vollständig verwüstet. Alle Schränke waren geleert worden, und ihr Inhalt lag wild verstreut auf dem Boden. Eva leuchtete mit der Taschenlampe in alle Ecken, er hatte die Vorhänge nicht entfernt. Alles war dunkel, aber die Luft war seltsam kühl und frisch, Eva hatte fast vergessen, wiegut es tut, ganz normale Luft einzuatmen, so, als ob sie durch die Nase Mineralwasser tränke. Auf unsicheren Beinen wackelte sie zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. Ihre Kleider waren an ihrem Körper erstarrt. Sie würde alles wegwerfen, jede einzelne Faser, die sie am Leib trug. Vielleicht sollte sie sich auch die Haare schneiden, vielleicht würde sie den Geruch nie wieder loswerden. Sie hatte noch eine weite Fahrt vor sich, und sie war von Kopf bis Fuß von Scheiße verdreckt,
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