Eve & Adam (German Edition)
Stunden mit Aislin plaudern. Ein Fahrer soll sie abholen und hierherbringen.«
Luna hat sich inzwischen meinem Rücken zugewandt und meine Streitlust – so willkommen sie als Ablenkung von meiner Langeweile auch ist –, verringert sich mit jeder heilenden Bewegung ihrer Hände.
»Es geht um Genetik.« Meine Mutter legt ihren Rechner weg und kommt an mein Bett. »Damit beschäftigst du dich doch gerne. Ich würde dich für die Arbeit sogar bezahlen.«
»Mich bezahlen?«
»Warum nicht? Jeden anderen müsste ich dafür ja auch bezahlen. Was willst du? Hundert Dollar? Tausend?«
Darf ich vorstellen: meine Mutter, eine der führenden Geschäftsfrauen Amerikas, aber keine Ahnung, was ein Dollar wert ist.
»Ich will zehntausend Dollar«, fordere ich.
Dr. Anderson nickt billigend.
»Ist das angemessen?«, fragt meine Mutter. Sie sieht Luna fragend an. »Was meinen Sie?«
»Gnädige Frau, ich habe keine …«
Meine Mutter bringt sie mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen. »Also gut, entscheidend ist, dass du dann beschäftigt bist.«
»Das bin ich auch mit Aislin. Das ist mein Preis: Aislin. Das Geld kannst du behalten.«
Meine Mutter trommelt mit ihren frisch manikürten Fingernägeln auf den Bettrahmen. Französische Maniküre, zweimal die Woche. Fünf kleine Halbmonde tanzen über das Metall.
Sie seufzt.
Dr. Anderson betrachtet einen Fleck auf seinem Stethoskop.
»Ein Besuch«, sagt meine Mutter schließlich. »Ich lasse sie von unseren Sicherheitsleuten durchsuchen. Wenn sie Drogen oder Alkohol mitbringt, beschlagnahme ich den Stoff und lasse sie windelweich prügeln.«
Ich nehme an, dass es sich dabei um eine leere Drohung handelt.
Doch als ich meiner Mutter ins Gesicht blicke, bin ich mir da auf einmal nicht mehr so sicher. Diese Frau führt ein Unternehmen, das Milliarden Dollar wert ist. Das Gebäude ist so groß, dass neben sehr vielen anderen Dingen ein komplettes kleines Krankenhaus darin untergebracht ist.
Kann meine Mutter auch Leute verprügeln lassen?
Vielleicht. Vielleicht kann sie das.
Sie lächelt, um mir zu zeigen, dass sie es nicht ernst gemeint hat. Ihr Lächeln sagt mir, dass sie es kann.
»Worum geht es bei diesem Projekt? Soll ich Reagenzgläser putzen?«
»Nein, dafür haben wir Leute wie Solo. Du bist eine Spiker.«
Ich verspüre einen Anflug von Mitleid für Solo. Ich hatte ihn für eine Art Wunderkind gehalten, aber sie redet von ihm wie von ihrem Diener.
Leute wie …
Wie viel Herablassung in diesen beiden Worten steckt.
»Es ist eine hervorragende Einführung in das kreative Denken, das hier so wichtig ist«, sagt meine Mutter. »Eine Herausforderung für dich, Liebes. Du kannst das Talent entfalten, das in dir schlummert.« Sie erwärmt sich zusehends für das Thema. Die Falten auf ihrer Stirn glätten sich, ihre Augen blicken mit einer gewissen Erregung in die Ferne.
Sie macht eine Pause, vergewissert sich, dass sie meine volle Aufmerksamkeit hat.
»Evening, du sollst für mich den perfekten Menschen entwerfen.«
Luna hört auf zu massieren.
»Mit Buntstiften? Oder mit Knete?«
Meine Mutter lächelt nachsichtig. »Oh, da haben wir schon etwas mehr zu bieten. Du kannst morgen anfangen. Wenn du dich dazu bereit erklärst, lasse ich deine kleine Freundin morgen Nachmittag kommen.«
»Aber Aislin hat morgen ihren Tanzkurs …«
»Evening, wenn ich Leute herbestelle, dann kommen sie auch.«
10
EVE
»Hier wirst du arbeiten. Spielen.«
Meine Mutter zögert, runzelt die Stirn. Als sie es merkt, hört sie damit auf, denn Stirnrunzeln macht Falten. »Spielen, arbeiten – nenn es, wie du willst.«
»Hauptsache, ich tue es.«
»Richtig.«
Solo schiebt meinen Rollstuhl, meine Mutter geht voraus. Der Krankenpfleger, der uns an diesem Morgen eigentlich helfen sollte, hat im letzten Moment Magenschmerzen bekommen. Sein Vertreter war nicht auffindbar.
Einen Augenblick überlege ich, ob Solo das eingefädelt hat, um mit mir zusammen zu sein. Vielleicht braucht er ja genauso verzweifelt Gesellschaft wie ich.
Er rollt mich zu einem hufeisenförmigen Arbeitsplatz. Ein erstaunlicher Raum mit schwindelerregend hohen Decken und niedrigen Möbeln aus schwarzem Leder.
Neben dem Schreibtisch steht ein riesiger Benjamini, geschmückt mit einer weiß blinkenden Lichterkette, vermutlich ein Überbleibsel der lange zurückliegenden Weihnachtsferien. Die Blinklichter wirken in der sauberen, minimalistischen Umgebung seltsam skurril.
Aber ich habe keine Zeit,
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