Eve & Adam (German Edition)
so was nicht nachhaken?
SnakePlissken: Was für eine Operation?
FerryRat7734: Das willst du nicht wissen, glaub mir.
Ich antworte, dass das nicht stimmt. Und wiederhole die Frage.
Lungentransplantation. FerryRat hat Mukoviszidose, eine Erbkrankheit. Eine Transplantation ist der letzte Hoffnungsschimmer.
SnakePlissken: Scheiße.
FerryRat7734: Genau. Also schreib schön mit, okay? Noch bin ich nicht tot.
SnakePlissken: Mach ich.
Was soll ich sonst sagen? Was sagst du, wenn dir einer erzählt, dass er stirbt? Du sagst, ja, ich schreibe alles für dich mit.
Mir dämmert zum ersten Mal, dass womöglich viele dieser Online-Schüler, die ich nur mit ihrem Chat-Namen, nur als Popup-Fenster kenne, schlimme Krankheiten haben.
Es ist mir peinlich, dass ich nicht früher daran gedacht habe.
»Kleiner Egozentriker, was?«, murmele ich.
Ich sitze den Rest der Unterrichtseinheit ab und danach noch Naturkunde.
Dann muss ich arbeiten. Heute helfe ich, die Gästezimmer für eine Konferenz herzurichten. So eine Konferenz haben wir etwa einmal im Monat. Topleute mit viel Verstand und noch mehr Geld werden eingeflogen, und wir bewirten sie und halten Vorträge über die Wunder der Biotechnologie und was für eine lohnende Investition Spiker doch ist.
Ich stelle Blumen in die Zimmer und überprüfe die Minibars. Dann vertrete ich für ein paar Stunden den Typ vom Kaffeewagen, weil er auf einer Hochzeit in Monterey ist.
Ich muss das nicht tun. Wenn es nach Terra ginge, könnte ich auch auf meinem Zimmer bleiben, für mich allein, was auch immer. Aber durch solche Routinearbeiten erweitere ich meine Zugangsmöglichkeiten, und genau das will ich.
Sobald ich fertig bin, logge ich mich in das System ein, verschleiere meine Identität und suche nach Mukoviszidose. Denn auch wenn Terra viel Mist baut und sogar Verbrechen begeht, macht Spiker auch wirklich tolle Sachen.
Für Mukoviszidose bekomme ich viele Treffer. Die Firma hat einiges dazu erforscht. Aber die entsprechenden Dateien wurden entfernt und zum Projekt 88715 verschoben.
Ich google Erbkrankheiten und erhalte eine Liste.
Dann zurück zu Spikers Datenbank. Ich suche nach der Bluterkrankheit. Auch dazu gibt es viele Dateien. Eine Heilung durch Gentherapie scheint in Reichweite zu sein. Die Dateien wurden verschoben: zum Projekt 88715.
Neurofibromatose: dito.
Sichelzellenanämie: dito.
Tay-Sachs-Syndrom: dito.
Nicht alle Erbkrankheiten, aber viele. Zu viele, als dass es sich um Zufall handeln könnte. Ein halbes Dutzend bekannte Erbkrankheiten, an denen Spiker geforscht hat, wandern plötzlich in das Projekt 88715.
Was haben diese Daten in einer albernen Schulsoftware zu suchen?
Wie ich weiß, hat das Projekt 88715 ein Budget von zwölf Millionen Dollar. Das ist viel Geld, aber nicht viel Geld für Spiker. Bei Spiker ist alles unter einer Milliarde Kleingeld.
Ich rufe die Kurzbeschreibungen der Projekte für Mukoviszidose, Hämophilie und die anderen Krankheiten auf und überschlage die veranschlagten Summen im Kopf: Das Gesamtbudget beläuft sich auf über achtundzwanzig Milliarden Dollar!
Milliarden, nicht Millionen.
Und Forschungsarbeiten im Wert von achtundzwanzig Milliarden Dollar werden plötzlich unter einem Zwölf-Millionen-Dollar-Projekt subsumiert?
Das ist, als würde man Kinder, die an der Straßenecke Limonade verkaufen, mit dem Management der örtlichen Lebensmittelgeschäfte beauftragen.
Terra Spiker führt etwas im Schilde, ich weiß nur noch nicht was.
Aber ich werde es herausfinden.
12
EVE
»Mmh, Kaviar«, sagt Aislin.
Das ist einer ihrer Sprüche.
Es ist später Nachmittag und gerade hat Solo das Zimmer betreten. Er hält Aislins Tasche.
Zurückhaltung ist für Aislin ein Fremdwort. Sie muss immer gleich sagen, was sie denkt.
»Wie bitte?«, fragt Solo.
»Kaviar ist teuer und schmeckt köstlich. Ich könnte ihn löffelweise vernaschen.« Sie spricht mit ihrer verführerisch säuselnden, streichelzarten Stimme, und auf Solos Gesicht erscheint ein alarmierter Ausdruck. Er ist Mädchen wie Aislin wahrscheinlich nicht gewöhnt.
Aber das ist wohl niemand, weil es nur eine Aislin gibt.
Gott, habe ich sie vermisst!
»Lass ihn in Ruhe«, sage ich nachsichtig.
Ich mag sie einfach. Sie ist das genaue Gegenteil von mir.
»Ach, er gehört dir, E.V.?«, fragt Aislin unschuldig. Sie ist ungefähr fünfzehn Zentimeter von Solo entfernt. »Kann ich wenigstens … den Rest haben?«
Aislin ist groß, größer als ich, und ich bin nicht
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