Eve & Adam (German Edition)
verrückt. Ich meine, meine Augen waren vollkommen …« Ich fahre mit der Hand vor meinem Gesicht herum. »Ich sah aus, als hätte mich ein Zug überrollt.« Warum wohl? »Unglaublich, dass ich jetzt …«
Aislin zuckt mit den Achseln. »Schon, aber das ist auch kein normales Krankenhaus, oder?«
»Du hast ja Recht. Meine Mutter bestand darauf, dass ich hier behandelt werde. Wahrscheinlich hatte sie ihre Gründe.«
Während ich mein Spiegelbild betrachte, inspiziert Aislin das Zimmer. »Großer Flachbildschirm, schöne Tonanlage. Vielleicht sollte ich mich auch überfahren lassen.«
»Hier hatte ich Stiche«, sage ich und ziehe ein chirurgisches Klebeband ab. »Mitten auf der Wange. Jetzt ist da nichts mehr.«
»Glück gehabt. Mit Make-up hätte man da nicht viel machen können.« Aislin schiebt die Schranktür auf. »Wow, Bademäntel von Primo. Kann ich einen klauen?«
Ich werfe einen Blick zum Schrank. Mein Skizzenblock liegt kaum sichtbar im obersten Fach. »Hey, kannst du mir den runterholen? Den hat wohl jemand im Auftrag meiner Mutter dort reingelegt.«
»Habe ich dir schon einmal gesagt, dass deine Mutter eine eiskalte Frau ist?«
»Ich glaube, du hast es mal nebenbei erwähnt.« Ich halte mein Handy hoch. »Wenigstens hat sie mir das zurückgegeben. Endlich.«
Aislin stellt sich auf die Zehenspitzen und holt den Block herunter. Sie blättert ihn durch und hält mir eine Seite hin.
»Diesen Typ liebe ich echt. Da arbeitest du ja schon eine Ewigkeit dran.«
»Es ist eine Karikatur. Ohne Tiefe und Seele.«
»Scheiß auf die Tiefe.«
»Und ich kriege die Augen nicht richtig hin.«
»Hm, ja. Aber er hat tolle Lippen.« Sie klopft sich mit dem Zeigefinger auf das Kinn. »Er erinnert mich ein wenig an … wie heißt er doch gleich, der heiße Typ?«
»Solo.«
»Aber der Körper fehlt noch. Auf deiner Zeichnung, meine ich. Bei Solo ist ja alles bestens.« Aislin grinst von einem Ohr zum anderen. »Wenn du Vorschläge brauchst, kann ich dir helfen, ihn fertig zu zeichnen. Wenn du weißt, was ich meine.«
Ich gehe nicht darauf ein. »Muss genetisch bedingt sein. Mein Dad konnte auch keine Gesichter zeichnen.«
»Aber er war Bildhauer.«
»Skulptur, Zeichnung, dasselbe Problem.« Ich starre auf die in Nebel gehüllten, sanft geschwungenen Hügel hinter dem Fenster. »Ich weiß noch, wie er einmal meine Mutter zeichnen wollte. Mit Ölkreide. Nach einigen Versuchen gab er auf.«
»Muss schwierig gewesen sein, den Teufel auf ’ner Leinwand festzuhalten.« Aislin legt den Block auf meinen Nachttisch. »Kannst du überhaupt malen? Mit diesem mordsmäßigen Verband?«
»Nein.« Ich betrachte meine verletzte Hand. »Obwohl, so wie es mir sonst geht, wer weiß?«
»Wo ist die Minibar?«
»In dem kleinen Schrank dort drüben ist ein Kühlschrank mit Wasserflaschen.«
Aislin zieht einen Flachmann aus dem hinteren Bund ihrer Shorts. Natürlich haben die Sicherheitsbeamten nur den in ihrer Tasche gefunden. Wer hat schon mehr als einen dabei?
Aislin nimmt einen Schluck und hält mir die Flasche hin. »Hustensaft.«
»Du meinst Wodka?« Es soll nicht kritisch klingen, wirklich nicht, denn so was bedrückt sie und schafft Distanz.
»Wodka Lemon, Hustensaft, was ist schon der Unterschied?«, fragt sie.
»Lust hätte ich schon. Aber lieber nicht …«
»Du nimmst Medikamente.«
»Und ich trinke nur selten Alkohol.«
»Du hast Bier getrunken.«
»Lass dich nicht erwischen, sonst wirft meine Mutter dich raus. Und ich sag dir eins, Aislin: Ich bin hier völlig allein. Ich brauche dich.«
Aislin tut ganz cool, aber sie hat Tränen in den Augen und umarmt mich. »Keine Sorge, niemand kann uns trennen. Aber jetzt lass uns deinen verschämten Jüngling suchen. Ich werde ihm sagen, dass du ihn magst.«
»Wehe! Dann bringe ich dich um!«
»Vergiss nicht, du sitzt im Rollstuhl. Da zieht so eine Drohung nicht.«
»Zuerst will ich dir noch etwas zeigen.«
Aislin schiebt mich zur Tür. »Was denn?«
»Ich baue mir selbst einen Mann.«
Sie runzelt die Stirn. »Wie bitte?«
»Ja, einen Mann.«
»Ich bin ganz Ohr.«
13
SOLO
Sie hat also eine Freundin. Absolut nicht die Art von Freundin, die ich erwartet hätte.
Interessant.
Vom Ende des Korridors aus beobachte ich, wie Eve und Aislin sich dem Aufzug nähern. Aislin schiebt den Rollstuhl im Laufschritt, Eve lacht sich über irgendetwas schlapp.
Mann, hat die ein tolles Lachen.
Wie stelle ich es an, ohne dass es auffällt? Sie ist nicht dumm. Eve wird
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