Eve & Adam (German Edition)
Schreie, Knirschen. Das T-Shirt weicht mit einem Satz nach hinten aus.
Wir hören Rufe. Aus der Richtung des Sees, den wir immer noch nicht gesehen haben, kommen zwei Typen angerannt.
Das T-Shirt brüllt etwas, weiß aber auch nicht, was er tun könnte.
Die beiden Neuankömmlinge nähern sich den Autos, sehen ihren Freund am Boden liegen, sehen uns und werden langsamer.
Wenn einer von ihnen eine Pistole dabeihat, sage ich mir, hätte er sie längst gezogen.
Mit erstaunlich ruhiger Stimme sagt Solo zu Aislin: »Schreib deinem Freund, dass er jetzt kommen kann. Es ist sicher.«
Ich drehe mich besorgt nach ihr um. Mit zitternden Fingern tippt sie die SMS . Der Rückwärtsgang ist noch eingelegt. Solo fährt vorsichtig zurück, bis das linke Vorderrad an ein Hindernis stößt. Das Bein der Lederjacke.
»Wir wollen nur jemanden abholen!«, ruft Solo. »Wenn ihr ihn durchlasst, machen wir euch keine Probleme. Wenn nicht, fahre ich rückwärts über das Bein eures Freundes.«
Maddox taucht auf. Er ist tropfnass und von den Sneakern bis zur Brust voller Schlamm.
Er sieht gut aus, dieser Maddox, ein Schrank von einem Mann. Obwohl er jetzt, in Panik und durchnässt, ziemlich jämmerlich wirkt.
»Steig ein!«, schreit Aislin.
Solo wartet, bis Maddox sich angeschnallt hat. »Zieht euren Freund unter dem Auto hervor und ruft einen Krankenwagen«, weist er die drei finster dreinblickenden Typen an.
Als die Lederjacke nicht mehr unter dem Auto liegt, fragt Solo: »Alle bereit?«
Oh ja, sind wir.
Wir fahren los.
»Alles geht so viel leichter, wenn man nicht ständig auf Überwachungskameras achten muss«, meint Solo.
Maddox klammert sich an Aislin wie ein Ertrinkender an den letzten Rettungsring. Sie lässt es eine Weile zu, dann boxt sie ihn in die Brust und schiebt ihn weg.
»He!«
»Idiot!«, schimpft sie.
Mehr kriege ich nicht mit, weil ich ständig Solo anstarren muss, der gelassen am Steuer sitzt, sich in den Verkehr einreiht und in Richtung Sunset District fährt.
»Woher …?«, beginne ich, aber ich weiß nicht, wie ich die Frage beenden soll.
Solo lässt ein kurzes Lachen hören. »Eine Ratte, die täglich durch das Labyrinth rennt, entwickelt so ihre Tricks. Und ich bin die Oberratte.«
Das ist kein Witz. Er tut zwar so cool, aber unter der Oberfläche brodelt es.
Schweigend fahren wir weiter. Zumindest schweigen Solo und ich. Aislin und Maddox hingegen wechseln zwischen Anschreien und Knutschen hin und her.
»Ich muss das Auto zurückbringen«, sagt Solo. »Die Zeit läuft bald ab.«
Ich drehe mich nach hinten um. »Du kommst mit mir, Aislin.«
»Aislin bleibt bei mir.« Maddox klingt mürrisch, nicht so charmant wie sonst. Er kann wirklich sehr charmant sein, aber wahrscheinlich nicht, wenn er Angst hat, schmutzig ist und vor Adrenalinüberschuss zittert.
Ich weiß das, weil ich selbst zittrig bin. Dabei hatte ich kaum Zeit, Angst zu haben. Der ganze Vorfall dauerte vielleicht ein, zwei Minuten. Nicht länger. Aber jetzt spüre ich die Angst umso mehr. Und bin sauer.
»Du Blödmann!«, fauche ich Maddox an. »Die hätten uns alle umlegen können.«
»Nie im Leben«, protestiert er wenig überzeugend. »Die hätten nur mich verprügelt.«
»Klar, weil sie ja so vernünftig sind! Solo hat dir den Arsch gerettet, du Loser.« Ich rede mich in Fahrt. »Verschwinde aus Aislins Leben und zieh sie nicht immer mit dir runter.«
Aislin blickt aus dem Fenster, auf die vorbeiziehenden Ampeln. Sie sieht weder mich an noch Maddox.
»Ich kann die beiden nicht in die Firma schmuggeln«, sagt Solo. »Meine Ratten-Fähigkeiten haben Grenzen.«
»Aber ich kann Aislin mitnehmen«, entgegne ich. »Durch den Haupteingang.«
Solo schüttelt den Kopf. »Dann müsstest du denen erklären, wie du nach draußen gekommen bist. Wir werden sie zuerst irgendwo absetzen. Und später, wenn wir längst wieder drin sind, können wir sie hereinlassen.«
»Wir setzen dich bei dir zu Hause ab«, sage ich zu Aislin. »Oder wo du willst. Aber dann musst du mit dem Taxi zu uns herauskommen. Bleib eine Weile bei mir. Wenigstens bis deine Eltern von Barbados zurück sind.«
»Belize.«
Aislins Eltern reisen viel. Sie sind ständig braun gebrannt.
»Aber ich muss noch ein paar Tage in die Schule und …«
Ich falle ihr ins Wort. »Verdammt, Aislin! Wir können dich doch in die Schule bringen.«
»Liebes«, sagt sie und legt mir die Hand auf den Arm. Dazu sieht sie mich mit ihrem Schicksal-Blick an, wie ich ihn heimlich
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