Eve & Adam (German Edition)
See ist ganz in der Nähe, von der Straße aus aber nicht zu sehen. Nur auf der Karte des Navi. Das Wasser bildet ein gleichschenkliges Dreieck mit einer runden Insel am stumpfen Ende.
Hier ist nicht viel los, nur wenige parkende Autos sind über das Gelände verstreut. An der Stelle, wo die Straße dem See am nächsten kommt, stehen allerdings drei offenbar hastig verlassene Autos.
»Der Ford da gehört der Schwägerin von Maddox’ Stiefvater!«, ruft Aislin aufgeregt.
Der Ford, ein verbeulter hellbrauner Fusion, steht zwischen den beiden anderen Autos, einem aufgemotzten Miata und einem Civic mit Chromfelgen und Spoiler.
Die Fahrertür des Miata steht offen, aber niemand sitzt drin.
Solo bremst und fährt an den Rand der Straße. Um uns wachsen viel zu viele Bäume und viel zu viele Büsche. Für einen Park in der Mitte von San Francisco sieht das einem Dschungel überraschend ähnlich.
Solo stellt den Motor aus. Das Radio läuft weiter.
»Schreib deinem Freund, dass wir da sind«, sagt er.
Nach einer Weile seufzt Aislin. »Maddox meint, er könne nicht runter von der Insel.«
Solo stellt das Radio lauter. »Frag ihn, ob er die Musik hört.«
Maddox hört sie.
»Wenn er sie hört, dann auch seine Verfolger. Seht, da kommen sie schon.« Solo klingt zufrieden. »Alle angeschnallt?«
»Warum?«, frage ich.
Zwei Asiaten, schlank und Zigarette rauchend, tauchen aus dem Gewirr aus Büschen, umgestürzten Bäumen und nassem Gras auf.
Der eine ist muskulös und hat eine grüne Lederjacke. Der andere, kleinere, trägt ein schwarzes T-Shirt.
Sie starren uns böse an. Wie Schlägertypen. Der Muskelmann fasst in seine Jacke. Die Bewegung soll uns zeigen, dass er bewaffnet ist.
Solo drückt den Fuß aufs Gaspedal. Das Auto – unser Auto, in dem ich sitze – knallt volle Kanne in den Miata. In die Tür auf der Fahrerseite.
Als ich mit der Schulter nach vorne fliege, reißt mich der Sicherheitsgurt wieder zurück. Die Wucht des Aufpralls reicht jedoch nicht aus, um den Airbag auszulösen.
»He!«, schreie ich. Was soll man auch sonst sagen, wenn jemand absichtlich in ein Auto reinfährt?
Die beiden Typen starren uns mit offenen Mündern an. Eine Zigarette fällt zu Boden.
»Tut mir leid, Leute!«, ruft Solo. Die Entschuldigung klingt sehr überzeugend.
»Was zum Teufel …?«, brüllt die Lederjacke und fuchtelt mit der Zigarette.
»Sorry, Mann!«, ruft Solo. Blitzschnell zückt er sein Handy und drückt drei Nummern. »Ich rufe die Polizei. Meine Schuld, absolut. Das sage ich denen auch, wenn sie hier sind.«
»Keine Bullen«, fordert die Lederjacke und bewegt dazu den Zeigefinger hin und her.
»Aber es muss sein, Kumpel«, sagt Solo. Ich glaube nicht, dass er das Wort »Kumpel« schon einmal verwendet hat. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er es nie wieder tun wird. Aber jetzt erfüllt es seinen Zweck: Er klingt harmlos und nicht allzu helle.
Die Lederjacke zieht eine Pistole.
Ich habe im wahren Leben noch nie eine Pistole gesehen. Wahrscheinlich ist es eine Spielzeugwaffe. Aber ein Teil meines Gehirns schlägt Alarm. Sie könnte ja echt sein und ich könnte erschossen werden.
Bitte nicht!, flehe ich innerlich. Ich will nicht sterben, nein, nein, nein. Nach außen wirke ich aber wahrscheinlich ganz ruhig.
»Verpisst euch, los!«, sagt der Schlägertyp.
Und jetzt lerne ich, was an Elektroautos so nützlich ist: Kein Benzinmotor röhrt auf, wenn man auf das Gaspedal tritt. Und genau das tut Solo. Er hat den Rückwärtsgang einlegt und die Räder hart eingeschlagen.
Durch das Auto geht ein gewaltiger Ruck. Es fühlt sich an, als hätten wir schon wieder einen Zusammenstoß gehabt. Einen Moment lang frage ich mich, ob jemand auf mich geschossen hat. Aber nein, kein Knall.
Die Stoßstange vorne links schwingt zurück und direkt in die Lederjacke hinein.
Sie streift ihn nur, nicht zu vergleichen mit dem Schlag, der mir das Bein abgetrennt hat. Aber wenn dich ein Auto anfährt, ist das nie nur ein kleiner Schubser.
Die Lederjacke landet rücklings im Gras. Sein eines Bein ist unter dem Auto, die Pistole liegt hinter seinem Kopf.
Aber ihn kümmern weder Bein noch Pistole. Er setzt sich auf, was aber keine gute Idee ist, weil Solo die Tür öffnet und sie ihm ins Gesicht schlägt.
Die Lederjacke geht wieder zu Boden und diesmal kommt sie nicht gleich wieder hoch.
Alles geht so schnell, dass man die Einzelheiten kaum wahrnimmt. Alles verschwimmt ineinander: ruckartige Bewegungen, Lärm,
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