Eve & Adam (German Edition)
lutscht ihn ab.
»Abgemacht«, sagt er.
So leicht ist das. Er hat soeben für zehntausend Dollar mein Leben gekauft.
26
EVE
Vor mir ist der Klingelknopf. Ich starre ihn eine Weile an.
Es ist spät. Und ich will nicht, dass Solo das missversteht, wenn ich in sein Zimmer komme, bekleidet mit … Was habe ich eigentlich an? Ich blicke an mir hinunter.
Die Gymnastikhose, in der ich schlafe. Und das T-Shirt. Natürlich ohne einen BH darunter, weil ich im Bett keinen brauche. Und Sneakers mit offenen Schnürsenkeln, in die ich auf dem Weg nach draußen geschlüpft bin.
Ich hätte Aislin mitnehmen sollen. Sie hat mir angeboten mitzukommen. Aber mein Bauchgefühl sprach dagegen. Es geht hier um meine Mutter, also auch um mich. Und um Solo.
Ich fröstele, jedoch nicht, weil ich so wenig anhabe.
Und drücke auf den Klingelknopf.
Solo antwortet nicht. Ich klingle noch einmal. Nichts. Ich drücke auf den Knopf und halte ihn gedrückt. Mir ist egal, ob er gerade schläft. Er soll jetzt verdammt noch mal aufwachen und mich reinlassen!
Die Tür fliegt auf.
Ein Mann stürmt heraus – nein, nicht nur einer, es sind zwei. Der erste schleudert mich beim Vorbeirennen an die Wand. Ich stolpere und stürze. Ein dritter Mann tritt mir auf der Flucht mit vollem Gewicht auf das angenähte Bein.
Die Tür zu Solos Zimmer steht offen. Etwas stimmt hier ganz und gar nicht.
Ich rapple mich auf und eile hinein. Ziemlich dumm von mir. Es wäre klüger, um Hilfe zu rufen, aber daran denke ich zu spät.
Solo sitzt auf einem Stuhl.
Zuerst sehe ich das Blut.
Dann die Schnur.
»Mach die Tür zu«, sagt er dumpf. »Und schließ ab.«
Ich gehorche. Dann laufe ich zu ihm, knie mich hin und sehe ihm von unten ins Gesicht.
»Ganz schön übel, oder?« Er trägt nichts als Boxershorts. Das Blut ist ihm in dünnen Rinnsalen über die Schultern und bis auf die Brust gelaufen.
»Ich hole Hilfe«, sage ich, aber ich weiß, dass es die falsche Antwort ist.
»Nein, hier gibt es keine Hilfe. Die sind nur erschrocken, weil sie nicht mir dir gerechnet haben.« Solo bewegt die Zunge durch seinen Mund. Er stöhnt und spuckt einen Zahn aus. »Entschuldigung.«
Ich renne ins Bad, halte ein Handtuch unter eiskaltes Wasser und haste damit wieder zu Solo.
Vorsichtig tupfe ich das Blut von seinem Kopf. Es sieht auf dem weißen Handtuch erschreckend rot aus. Ich bekomme den Kopf nicht richtig sauber, weil Solo so dichtes Haar hat.
Anschließend säubere ich ihm das Gesicht. Stirn, Augen, Mund.
Ich kehre zurück ins Bad und wasche das Blut aus. Und während das kalte Wasser läuft, überschlagen sich meine Gedanken.
Ich gehe mit dem jetzt rosaroten Handtuch wieder zu Solo und wische ihm das Blut von Hals und Brust.
Ich rechne damit, dass er noch mehr Blut verliert – Kopfwunden bluten heftig, heißt es –, aber es kommt nicht mehr viel.
Ich wandere mit dem Handtuch die Brust hinab bis zum Bund seiner Boxershorts.
Als ich zu ihm aufblicke, klopft mir das Herz. Mir macht einiges zu schaffen.
Ich habe nicht mehr so viel Blut gesehen, seit ich nach dem Unfall in der Powell Street lag.
Ich habe noch nie den Körper eines Jungen berührt.
Ich bin noch nie vor einem Jungen niedergekniet, der nur mit Boxershorts und Schnur bekleidet war.
Schnur? »Du bist ja noch gefesselt!«
»Ja, ist mir auch schon aufgefallen.«
Ich springe auf, zugleich durcheinander, verstört und von Gefühlen überwältigt. Mit zitternden Fingern zupfe ich an den Knoten.
»Rechts in der Schublade der Kommode liegt ein Schweizer Messer.«
Ich finde es unter zusammengerollten Socken.
Extrem vorsichtig, weil ich meinen zitternden Händen nicht traue, schneide ich Solo los.
Er steht auf und wendet sich mir zu. »Du hast dir die Dateien angesehen.«
Aber darüber will ich nicht sprechen. Denn das ist alles so furchtbar und so kompliziert und er steht gerade so dicht vor mir.
»Du …«, setzt Solo an.
Dann sagt auch er nichts mehr.
Nur wenige Zentimeter trennen uns. Wenn ich mich vorbeuge, berühre ich mit der Nase seine Halsbeuge.
Irgendwie sind wir einander jetzt noch näher.
Er atmet aus und ich atme ein.
Meine Brüste berühren ihn oben am Bauch.
Solo erschauert.
Ich auch.
Mit bebenden Fingern fasst Solo mir an die Wange.
Ich schlucke hart. An seinen Fingern ist Blut und jetzt ist es auch auf meinem Nacken, weil er die Hand unter meine Haare geschoben hat. Uns trennen nun nicht mehr ein paar Zentimeter voneinander, sondern bloß noch ein paar
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