Eve & Adam (German Edition)
fertigmachen.«
Der Aufzug setzt sich mit einem Ruck in Bewegung.
»Wir fahren wieder nach oben«, sagt Aislin.
»Ja.« Solo ist sichtlich angespannt. »Sobald die Tür aufgeht, rennen wir.«
»Wohin?«, frage ich.
»Bleibt einfach hinter mir.«
Der Aufzug hält und wir stürzen durch die Tür.
»Hier lang!«, ruft Solo. »Mir nach!«
Wir rennen einen Gang entlang. Nach fünfzehn Metern bleibt Solo keuchend an einer Bürotür stehen und gibt einige Zahlen in eine Tastatur ein.
Die Tür geht auf. Drinnen ist es dunkel.
»Das Büro gehört einem Typ, der schon seit Monaten krankgeschrieben ist«, erklärt Solo.
Aislin streckt die Hand nach dem Lichtschalter aus.
»Nicht!« Solo schüttelt den Kopf. »Kein Licht.«
In dem Büro ist nicht viel zu sehen. Hinter dem Fenster liegt die Bucht von San Francisco. Dichte Wolken hüllen die Golden Gate Bridge ein. Am Himmel stehen nur wenige Sterne und der Mond ist nicht mehr als ein silberner Schein.
Solo öffnet die Schublade eines Hängeregisters. »War eine von euch schon mal klettern?« Er hält ein aufgerolltes Seil in den Händen.
»Ich«, sagt Aislin.
Ich sehe sie überrascht an, überzeugt, dass es sich um einen Scherz handelt. Aber sie hat schon einen Gurt und einen Karabiner von Solo genommen. Sie steigt mit den Beinen in den Gurt, zieht eine Schlinge heraus und klippst den Karabiner daran fest.
»Was ist denn?«, sagt sie auf unsere erstaunten Blicke hin. »Es ist nicht immer nur Party angesagt. Ich war mit meinem Vater ein paarmal zum Klettern auf Tahoe.«
Wir treten auf den Balkon hinaus. Unterhalb und rechts von uns glitzert das Firmengebäude wie ein großes, leuchtendes Schmuckstück über dem schwarzen Wasser und den unsichtbaren Felsen. Solo bindet das Seil an das Balkongeländer und wirft es dann darüber.
Der Ort ist perfekt gewählt. Man hat von hier aus freie Sicht und es geht ohne störende Terrassen senkrecht nach unten.
Das Seil rollt sich ab und verschwindet im Dunkeln. Reicht es bis zum Boden? Man sieht nichts. Ich kann nur hoffen, dass Solo alles gut geplant hat.
»Okay, Aislin, du zuerst«, sagt Solo. Er hilft ihr, über das Geländer zu steigen. »Der Achter kann sich verdrehen, also pass auf.«
Zu meinem Erstaunen versteht Aislin, wovon er spricht.
Wie ein Profi überprüft sie noch einmal Seil und Karabiner und zwinkert mir zu.
Ich beuge mich über das Geländer, blicke ihr nach und halte die Luft an. Ich bin kein großer Fan von Höhen.
Sie hüpft sozusagen an der Wand des Gebäudes nach unten, stößt mit den Füßen an Balkongeländer und Glasscheiben, drückt sich davon ab und fällt wieder ein, zwei Meter hinab.
Dann kann ich sie nicht mehr sehen.
»Ist sie gut unten angekommen?«, frage ich.
Solo zeigt auf den Knoten. »Das Seil ist nicht mehr gespannt. Sie ist wohlbehalten unten angekommen und hat sich losgehakt. Du bist dran.«
»Ich weiß nicht, wie das geht.« Jetzt, wo ich selbst über das Geländer steigen und mich an einem Seil nach unten lassen soll, kommen mir auf einmal ernsthafte Bedenken.
»Pass auf, du brauchst nur …«
»Ich bin nicht unsportlich«, falle ich ihm ins Wort. »Ich könnte dich auf einer Rennstrecke von zehn Kilometern mit links abhängen. Ohne Witz.«
»Klar könntest du das.«
»Aber Höhen mag ich einfach nicht. Ich will nicht runterfallen.«
»Dann trage ich dich nach unten.«
»Kommt nicht infrage.«
»Wir haben nicht viel Zeit, Eve. Tommy ist hinter uns her, und wie gesagt, er ist nicht dumm. Außerdem wird deine Mutter die Sicherheitsleute auf uns ansetzen, wenn sie es nicht schon längst getan hat. Wir haben nur noch wenige Augenblicke.« Er bückt sich vor und sieht mir in die Augen. »Keine Angst, ich lasse dich nicht fallen.«
»Ich könnte dich auch auf fünf Kilometern schlagen«, sage ich noch.
»Steig über das Geländer.«
Ich tue es, bevor ich den Mut verliere. Der Wind ist kalt und stark. Ich muss daran denken, dass mir, wenn ich ausrutsche, einige Sekunden zum Schreien bleiben, bevor ich unten auftreffe.
Ich wurde vielleicht genetisch verändert, aber wenn ich erst mal tot bin, werde ich bestimmt nicht wieder gesund.
Solo schwingt sich mühelos über das Geländer. Er befestigt das Seil an seinem Gurt und lehnt sich ruhig zurück.
»Steig auf«, sagt er.
»Wie?«
»Die Arme um meinen Hals und die Beine um meine Hüften. Pass bitte auf, dass du mich nicht erwürgst.«
Sein Körper steht schräg vom Balkon ab. Er hat eine Hand frei, mit der anderen
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