Eve & Adam (German Edition)
diese unerträgliche Ruhelosigkeit, diese Sehnsucht nach dem Nebel und den steilen Straßen von San Francisco. Ich will hier raus. Ich will joggen, bis mein Gehirn abschaltet und mir die Beine vor Erschöpfung wehtun.
Damit ich nicht austicke, werfe ich einen Blick auf den Monitor und gebe willkürlich einige Befehle ein. Ohne groß darüber nachzudenken.
Aislin kommt gerade zurück, als ich die letzte Taste drücke: Veränderungen ausführen. Ein Summen, ein kurzes Flackern, und da ist er. Mein perfekter Mann, bei dem nichts mehr – also wirklich gar nichts mehr – der Vorstellung überlassen ist.
Ich lege den Kopf schräg und kneife die Augen zusammen. »Wie findest du ihn?«
Aislin lässt einen bewundernden Pfiff hören. »Weißt du was? Ich mag deinen Stil.«
24
EVE
Ich stecke den USB-Stick in meinen Computer. Auf dem Bildschirm erscheint das entsprechende Icon. Jetzt brauche ich nur noch darauf zu klicken.
Nur noch.
Es ist schon spät. Aislin schnarcht leise. Ich habe so getan, als würde ich schlafen, damit sie ins Bett geht. Jetzt bin ich im Bad, in Schlafanzughose und T-Shirt, und sitze auf dem Klodeckel. Das Badezimmerlicht ist ziemlich schrecklich. Es ist ein Licht, das keine Geheimnisse zulässt.
Das Icon zeigt das Apple-Logo.
Ein Mausklick oder eine Berührung des Bildschirms mit dem Finger, mehr braucht es nicht. Aber eins ist klar: Wenn man etwas erst einmal weiß, kann man nicht mehr zurück. Man weiß es dann ein für alle Mal und muss vielleicht etwas tun. Und wenn man etwas tut …
Du übertreibst, sage ich mir. Du machst dir zu viele Sorgen.
Trotzdem …
Warum fällt es mir so schwer? Bin ich nicht ins Bad gegangen, weil ich wissen will, was auf Solos Stick gespeichert ist? Hocke ich nicht genau deshalb mitten in der Nacht hier?
Ich strecke den Zeigefinger aus und halte ihn über den Bildschirm.
Und berühre ihn.
Der Ordner geht auf. Er hat drei Unterordner. Einen mit einem Video. Die anderen beiden scheinen Dokumente oder Bilder zu enthalten. Das Video trägt den Dateinamen Nr. 1 .
Ich hole tief Luft. Dann suche ich meine Kopfhörer – sie sind auf den Fliesenboden gefallen. Ich schließe sie an und stecke sie mir in die Ohren.
Das Video zeigt Solo. Er steht vor der Kamera und balanciert auf den Füßen vor und zurück. Er ist nervös.
»Eve, ich bin’s, Solo.«
Ich lächle gegen meinen Willen. Das hätte ich auch ohne Erklärung gewusst.
»Ich weiß nicht, ob du dir das überhaupt ansiehst, und ich weiß auch nicht, was du dazu sagen wirst. Du hast mit meinem Plan ja eigentlich gar nichts zu tun. Aber … na ja, jetzt siehst du dir das wohl an. Und jetzt hast du damit zu tun. Jetzt …«
Er hat offenbar den Faden verloren und streckt die Hand nach der Kamera aus, als wollte er sie abschalten. Dann überlegt er es sich jedoch anders.
»Also, du hast damit zu tun, weil du bist, wer du bist. Davor habe ich dich ja gar nicht gekannt. Ich meine, ich wusste natürlich, dass es dich gibt. Ich hatte von dir gehört. Aber dann wurdest du auf einmal zu einer realen Person. Zu einer, die ich mag.«
Er blickt auf seine Füße. »Sehr sogar.«
Ich gucke nervös zur abgeschlossenen Tür hinüber, als könnte jemand mithören. Aber ich bin die Einzige, die diese Nachricht hören kann. Und die Einzige, die dabei etwas empfindet.
»Du stehst vermutlich genauso für Spiker wie deine Mutter. Deshalb erkläre ich dir das jetzt einmal.« Lange Pause. Ich habe das Gefühl, dass er unsicher ist, Bedenken hat. »Ich meine, du verdienst es, alles zu wissen.«
Er räuspert sich, streckt die Hand nach der Kamera aus und das Video ist zu Ende.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich klicke auf den nächsten Ordner.
Er enthält ein Dutzend Dateien. Die erste, die ich öffne, sieht aus wie eine Rechnungstabelle.
Das interessiert mich nicht wirklich und ich kann solche Tabellen auch gar nicht lesen. Sie mögen hochbedeutsam sein, aber ich kann es nicht beurteilen.
Ich bin enttäuscht.
Aber ich mache weiter. Bei der dritten Datei, die ich öffne, handelt es sich um eine Beschreibung des Projekts 88715.
Projekt 88715, Phase 1: Zusammenführung verschiedener, bei Spiker und außerhalb des Unternehmens entwickelter, noch nicht ausgereifter Technologien. Ziel ist die Schaffung einer vereinfachten Benutzeroberfläche, welche die extreme Komplexität der Gentechnik so weit reduziert, dass ein durchschnittlich intelligenter Betreiber einen voll entwickelten Menschen konstruieren
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