Eve & Adam (German Edition)
hält er sich am Seil fest.
Ich kralle mich mit sämtlichen mir zur Verfügung stehenden Händen am Geländer fest und drehe mich zu ihm um.
Er kommt näher an mich heran und zieht mich an sich.
Die Arme um seinen Hals zu legen ist einfach. Schwieriger ist es, die Beine um seine Hüften zu schlingen. Es fühlt sich albern an und er muss sich langsam zurücklehnen, um mein Gewicht zu übernehmen.
Ich umklammere ihn mit den Waden. Was ich mit meinem Kopf machen soll, weiß ich nicht. Also sehe ich ihn einfach an und er sieht an mir vorbei auf das Seil.
»Alles in Ordnung mit dir, Eve?«
»Warum nennst du mich ständig Eve?«, frage ich, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was mit mir alles in Ordnung ist und was nicht.
»Keine Ahnung, es passt irgendwie«, sagt Solo. Und dann geht es los.
Wir gleiten nach unten. Jedes Mal wenn wir langsamer werden und gegen die Wand kommen, drückt es mich an ihn. Wir fallen ein Stück und stoßen gegen die Wand. Fallen, langsamer werden, abstoßen. Und wieder fallen, langsamer werden, abstoßen.
»Siehst du?«, sagt Solo auf halbem Weg. »Es ist nicht hart.«
Es dauert einen Moment, bis ich schnalle, dass er das Dotzen gegen die Wand meint.
Ich lache schnaubend, total albern.
Jetzt kapiert auch er, warum ich lache. Er beginnt zu grinsen und wendet den Blick ab.
Wir stoßen uns wieder ab, fallen und eigentlich habe ich es nun überhaupt nicht mehr eilig, unten anzukommen.
Ein letztes Fallenlassen und wir landen.
Aislin wartet schon. Es ist dunkel, deshalb kann ich ihr Gesicht nicht genau erkennen. Umso deutlicher höre ich ihre spöttische Stimme.
»Das ist ja so was von unfair«, sagt sie mit gespielter Verärgerung. »Warum hat mir niemand gesagt, dass das auch zu zweit geht?«
28
EVE
Wir stehen unter verwachsenen Bäumen. Überall wuchert Unkraut, der Boden ist steinig. Er fällt so steil ab, dass nie jemand versucht hat, landschaftlich etwas umzugestalten. Vom Fundament des Gebäudekomplexes geht es fast senkrecht zum Wasser hinab.
»Es gibt eine Treppe«, sagt Solo. »Mit etwas Glück erreichen wir sie, bevor uns jemand den Weg abschneidet.« Er streckt die Hand aus. »Hier entlang. Passt auf die Zweige auf – sie schnellen vielleicht zurück, wenn ich mich durchzwänge.«
Es ist nicht weit, rund dreißig Meter, aber wir müssen höllisch aufpassen, nicht auszurutschen.
Die Treppe ist aus Holz und ziemlich morsch. Sie muss schon hier gewesen sein, bevor der Spiker-Komplex gebaut wurde.
Es ist dunkel, doch das Wasser reflektiert den Mondschein, deshalb sehe ich zwar nicht die Stufen, aber zumindest das Geländer.
Solo führt den Weg an, dann kommt Aislin. Ich bilde das Schlusslicht. Wir versuchen, möglichst leise zu sein, aber die Stufen knarren und unsere Atemzüge klingen in der Stille unheimlich laut.
»Was machen wir, wenn wir unten sind?«, flüstere ich.
»Da liegt ein Boot«, flüstert Solo zurück.
Es ist lächerlich, aber ich hatte schon fast gehofft, wir müssten irgendwo hinschwimmen. Schwimmen kann ich nämlich ausgezeichnet. Die Leute der Schulmannschaft würden mich mit Kusshand nehmen, doch ich will nicht jeden Morgen vor dem Unterricht ins kalte Wasser steigen müssen. Ich würde gerne beweisen, was ich draufhabe, nachdem ich beim Abseilen keine so gute Figur gemacht habe.
»Da kommt jemand!«, sage ich gerade so laut, dass Solo und Aislin es hören müssten.
Strahlen starker Taschenlampen durchdringen die Dunkelheit. Erst sind es drei, dann vier. Eine ist auf mich gerichtet, beleuchtet meinen Arm und blendet mein rechtes Auge.
»Da sind sie!«, ruft eine Männerstimme.
Die Männer stehen am oberen Ende der Treppe und versuchen gar nicht erst, leise zu sein. Polternd stürzen sie uns nach und die Strahlen ihrer Taschenlampen hüpfen wie wild auf und ab.
Das Wasser ist direkt vor uns. Ich sehe einen hölzernen Steg und zwei Boote, kleine, offene Motorboote. Eins hat einen Rumpf aus Holz, das andere ist eine Art Schlauchboot.
Zwei Boote sind schlechter als eins. Mit einem Boot kann man fliehen, mit zweien wird man verfolgt.
Solo springt in das Holzboot.
»Leinen los!«, ruft er uns zu.
»Was?«, fragt Aislin, aber da stürze ich schon zur Heckleine. Sie ist um eine Klampe geschlungen.
Aislin sieht mir zu, kapiert, was gemeint ist und zerrt an der Bugleine.
Ich höre einen Anlasser.
»Haltet sie auf! Los, haltet sie auf!«, schreit jemand.
Zwei schrankbreite Männer springen auf den Steg und rennen auf uns
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