Eve & Adam (German Edition)
Vergewaltigung aufforderte.
Kein gutes Thema zum Nachdenken.
Shakespeare hat den Ausdruck nicht nur in Julius Cäsar , sondern auch noch in zwei weiteren Stücken verwendet. Er muss ihm gefallen haben. Einmal ist im selben Satz noch von einem blutbefleckten Feld die Rede. Die dritte Stelle steht in einem Stück, das mir unbekannt ist.
Ruft nicht nach Sturm, wo ein mäßiges Jagen zum Ziel euch führen mag , lese ich an anderer Stelle.
Ich starre die Worte förmlich an.
Im Ernst, Solo? Du zögerst? Du hast doch für diesen Augenblick gelebt.
Des Krieges Hund entfesseln!
Oder mäßiges Jagen ? Ich überlege, was das eigentlich heißen soll. Und wie soll das gehen?
Plötzlich bin ich ganz aufgeregt, zappelig und gereizt. Und frustriert, in mehr als einer Hinsicht.
Wirklich, Solo, eine Google-Suche bringt dich dazu einzulenken?
Eine Google-Suche und ein Kuss. Das sind die wahren Gründe. Deshalb bin ich unentschlossen und nervös und suche nach einer Entschuldigung dafür, des Krieges Hund nicht zu entfesseln .
Aber ich bin doch ein Krieger! Ich habe jahrelang darauf hingearbeitet und jetzt werde ich wegen eines Kusses und eines Shakespeare-Zitats schwach?
Hm, nicht nur wegen des Kusses. Das Abseilen war … Ja, mein Atem geht ein wenig schneller, wenn ich daran denke und an alles Mögliche, was damit zusammenhängt (und ich weiß genau, was das ist). Was immer diese Erinnerung für mich bedeutet: Wenn ich jetzt auf Senden drücke, wird es für alle Zeiten bei der Erinnerung bleiben.
Das Problem ist, ich spüre immer noch Eves Beine um meine Hüften und schmecke ihre Lippen und fantasiere mir alles Mögliche zusammen.
Die Fantasie kann eine verdammte Plage sein und einen foltern. Und selbst wenn man das weiß, ändert es nichts daran. Meine Fantasie geht mit mir durch und spielt mir leidenschaftliche Szenen vor. Aber das ist nicht alles. Es kommt mir so vor, als wäre mein Leben ein Laserstrahl, der einen Spiegel getroffen hat und jetzt in eine andere Richtung verläuft. Ich habe das Gefühl, dass in meinem Leben vielleicht vieles anders ist, als ich glaube.
Vielleicht hatte meine ganze Vorgeschichte nur einen einzigen Zweck: mich hierher an diesen Punkt zu bringen. Bloß dass das Ziel überhaupt nicht die vergiftete E-Mail ist, die ich mit einer Zentimeterbewegung meines rechten Zeigefingers abschicken könnte, sondern etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe. Dass alles – Überraschung! – eine völlig andere Bedeutung hat.
Gerechtigkeit und Rache. Oder Eve.
Meine Hand zuckt zurück, als wäre unter ihr eine glühend heiße Herdplatte.
Mir stockt der Atem.
Ich starre meine Hand an. Sie hat die Entscheidung getroffen. Sie hält mich für einen Dummkopf. Meine Hand glaubt, dass nur ein Idiot die Rache der Liebe vorziehen würde.
Womöglich hat sie Recht.
Wie auch immer, ich darf die Entscheidung jedenfalls nicht allein treffen. Dazu brauche ich Eve.
35
EVE
»Evening«, sagt er noch einmal.
Ich nicke, weil meine Stimme bestimmt versagt hätte.
Er ist hier.
Aber das ist unmöglich.
Es gibt ihn wirklich.
Aber das kann nicht sein.
In der Realität wirkt er irgendwie größer als in meiner Vorstellung. Seine Augen sind jetzt lebendig, erstaunlich lebendig. Er wirkt neugierig und besorgt. Er kennt mich – wenigstens das ist gewiss. Er weiß, wer ich bin.
Und er ist der schönste Mann, dem ich je begegnet bin. George Clooney, Johnny Depp, Justin Timberlake und alle anderen würden in einem Film neben ihm hässlich aussehen.
Ich frage mich, ob er wohl noch etwas anderes sagen kann als meinen Namen.
Obwohl das allein schon großartig ist. Ich mag es, wie er meinen Namen ausspricht. Ich würde ihn gerne noch einmal hören.
»Ich habe dich gesucht«, sagt er.
»Was?«
»Deine Mutter schickt mich.«
Das scheint zu stimmen. Seine Ehrlichkeit überrascht mich. »Und solltest du mir das auch sagen?«
»Ich weiß es nicht.«
Er zuckt weder mit den Schultern noch lächelt er verlegen oder zieht den Kopf ein. Ich merke, dass er nicht in der Lage ist, mir etwas vorzuspielen. Er ist frei von Eitelkeiten oder irgendwelchen Angewohnheiten.
Ihn zu sehen, verschlägt mir die Sprache. Adam ist eine Gestalt aus meinem Traum. Jemand, den ich erst auf einem Skizzenblock gezeichnet und dann am Computer fertiggestellt habe.
Ich würde ihn gern berühren, um mich zu vergewissern, dass er echt ist. Dass ich nicht vor Erschöpfung halluziniere.
Ich würde ihn aber auch gern einfach so berühren.
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