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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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von jemandem, der selten lächelt. »Er wollte es mir beibringen, aber dann ist er gestorben.«
    Ich warf einen Blick in die Ecke, wo Arden reglos mit schweißglänzender Haut auf der Matratze lag. Neben ihr stand ein voller Teller mit Gemüse vom Vorabend. »Was fehlte ihm denn? War er krank?« Beim Seitenblick auf Arden blieben mir die Worte fast im Halse stecken.
    »Er hatte gerade angefangen zu jagen. Caleb sagt, es war eine Flutwelle.« Er blätterte beim Sprechen durch das Notizbuch, Seite um Seite war mit schwer lesbarem Gekritzel beschrieben. »Paul hat sich um mich gekümmert, als unsere Eltern verschwanden. Er hat mich hierhergebracht.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich.
    »Ich versteh nicht, warum das alle sagen.« Als er zu mir aufsah, funkelte das Licht in seinen Augen. »Schließlich ist es ja nicht deine Schuld.«
    »Vermutlich …« Ich dachte an die Bilder, die mich immer beim Einschlafen heimsuchten. Pip in einem schmalen weißen Bett, ihr Bauch wölbte sich über ihren Beinen. Manchmal zerrte sie an den Ledergurten und schrie den anderen zu, die neben ihr lagen, streckte die Hand nach anderen Händen aus, die sie nicht halten konnte. Zu anderen Zeiten war sie, wie ich sie in Erinnerung hatte, an ihrem Schreibtisch, wo sie sich mit Matheproblemen herumschlug und mit ihrem Stift in einem vertrauten, gleichmäßigen Takt auf das Holz klopfte. Dann drehte sie sich plötzlich um, und als sie die schwangere Wölbung sah, wurde ihr Gesicht zornig. »Warum tut man uns das an?«, fragte sie und ging einen Schritt auf mich zu, dann noch einen. »Warum?« Ich antwortete immer wieder dasselbe – »Es tut mir so leid, es tut mir so leid« –, bis sie sich schließlich auf mich stürzte und ich aufwachte.
    Ich räusperte mich und sah den Jungen an. »… Manchmal sagt man es, weil man eigentlich sagen will Ich bin traurig. Oder Ich kann mit dir mitfühlen. Vielleicht ist es albern. Vielleicht fällt einem einfach nichts Besseres ein.«
    Der Junge musterte mich, er betrachtete das an den Spitzen ausgefranste Haar, das mir über die Schultern fiel. Ich hatte es mit den Fingern gekämmt, damit es nicht völlig verfilzte. »Sie haben mir erzählt, dass du ein Mädchen bist«, erklärte er.
    Ich nickte.
    »Bist du meine Mutter?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Das bin ich nicht.«
    Darauf folgte Schweigen. Er pulte eine Weile an seinen rissigen Lippen herum.
    »Ich heiße Benny«, sagte er schließlich, während er zur Tür schlurfte. »Willst du mein Zimmer sehen? Dann lernst du auch meinen Zimmerkumpel Silas kennen.«
    Ich zögerte und sah zu Arden. Sie lag zusammengerollt auf dem Bett, ihre Augen waren seit dem Vorabend fest geschlossen. »In Ordnung«, antwortete ich dem kleinen Jungen, denn ich freute mich, dass ich jemanden zum Reden hatte. »Komm, wir gehen.«
    Ich folgte ihm durch die verschlungenen Gänge zu einem kleinen schmalen Zimmer. Auf dem Boden lagen zwei Matratzen und überall waren schlammverschmierte Laster und Dosen auf der Erde verstreut. Ein anderer Junge mit kastanienbrauner Haut zeichnete mit einem Stock auf dem harten Boden. Sein schwarzes Haar war unterschiedlich lang und an manchen Stellen schimmerte die Kopfhaut durch. Er trug ein langes T-Shirt, das in ein vertrautes Accessoire gestopft war – ein lila Tutu.
    Das war also Silas. Das kleine Mädchen, dem ich nachts durch den Wald hinterhergejagt war, entpuppte sich als ein Junge.
    »Dich kenne ich«, meinte ich und ging einen Schritt auf ihn zu. »Du hast mich neulich ziemlich erschreckt. Warum bist du denn nicht stehen geblieben, als ich nach dir gerufen habe?«
    Silas erstarrte unter meinem Blick. »Ich bin davongerannt«, erklärte er und ließ den Stock auf den Boden fallen, »weil du mich gejagt hast.« Er hatte die Beine untergeschlagen, was ihn noch kleiner wirken ließ.
    »Gibt es noch mehr von euch?«, fragte ich. Silas hob den Stock auf und ritzte weitere Kreise in die Erde. Er beachtete mich nicht weiter, sondern konzentrierte sich auf seine Zeichnung. »Bist du der Jüngste?«
    Benny ließ sich neben ihn auf den Boden fallen. Er drehte sich um und zum ersten Mal bemerkte ich eine lange rosa Narbe, die sich von seinem Nacken bis zu seinem Ohr zog und halb von seinen verfilzten Haaren verdeckt wurde. »Ja. Da ist noch Huxley. Er ist elf. Manchmal spielt er mit uns, aber alle anderen haben immer etwas zu tun oder trainieren.«
    »Was trainieren sie denn?«
    Silas starrte weiter auf den Boden. Er zeichnete etwas, das wie ein

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