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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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Wo steckt ihr?« Leifs Stimme hallte durch den Gang. Er kam um die Ecke, sein muskulöser Körper war mit Asche und Schlamm verschmiert. Wieder starrten mich diese schwarzen Murmelaugen an, die keinerlei Gefühlsregung verrieten. »Wo sind die Eimer?«
    Ein paar der älteren Jungen sprangen vom Boden auf. »Wir wollten uns darum kümmern, wenn … wenn wir das Buch fertig gelesen haben.«
    »Das Buch?« , hakte Leif nach und ging auf sie zu. Er sah mich nicht an, sondern wandte den Kopf ab, als wäre ich ein Tisch, ein Stuhl, der Boden unter seinen Füßen. »Ihr werdet es jetzt auf der Stelle tun, denn das war eure Aufgabe für heute Morgen. Ich will sämtliche Eimer mit Regenwasser hier drinnen sehen, rings um die Feuerstelle.«
    »Kann es nicht noch ein paar Minuten warten? Wir sind fast fertig«, sagte ich, ohne zu überlegen.
    Die Jungen drehten sich um, der Klang meiner Stimme überraschte sie.
    Leif baute sich vor mir auf, sein Moschusgeruch füllte den Raum zwischen uns. »Warten worauf?« Er riss mir das Buch aus der Hand. »Auf das? Diese Jungen sollen keine Kinderbücher lesen. Sie sollen lernen, für sich zu sorgen.«
    »Das werden sie auch.« Ich richtete mich auf. »Aber sie sollten auch in der Lage sein, ein einfaches Straßenschild zu lesen oder ihren Namen zu schreiben.«
    Leifs Blick wanderte über die Klasse, fast ein Dutzend Jungen drängte sich in dem engen Raum aneinander. Sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch an Land, der nach Luft schnappt. Dann sah er Kevin an, den ältesten im Zimmer, und nickte.
    »Ihr könnt die Eimer sofort nach eurer Lektion füllen. Und was dich anbelangt …« Er schaute mich an und gab mir das Buch zurück. Trotz seiner eisigen Miene hätte ich schwören können, dass ich eine gewisse Leichtigkeit in seinem Ausdruck bemerkte. Um seine Lippen spielte eine sanfte Nachgiebigkeit, die einem Lächeln näher kam als alles, was ich bisher gesehen hatte. »Falls du hierbleibst und diese Jungen unterrichtest, solltest du wissen, worauf du dich einlässt. Die älteren«, er deutete mit seinem dicken Finger auf Kevin und Aaron, die sich mit dem Rücken an die kühle Wand lehnten, »werden das Höhlencamp bald verlassen und auf die Jagd gehen oder Wache halten. Die Initiationszeremonie fängt übermorgen nach Sonnenuntergang an.« Als Leif hinausging, zog er den Kopf ein, um nicht gegen den Türrahmen zu stoßen.
    Ich sah wieder zur Klasse, das Buch in den Händen. Ich spürte die Machtverschiebung so deutlich, als hätte sich die Erde unter mir bewegt. Energie durchströmte mich beim Weiterlesen. Die Höhle kam mir mit einem Mal größer vor. »Und jeden Tag kam der Junge und sammelte die Blätter des Baumes auf …«

FÜNFZEHN
    Später an diesem Abend, als das würgende Husten Ardens den ruhigen Atemzügen einer Schlafenden gewichen war, nahm ich die Taschenlampe aus der Vertiefung in der Erde und ging in den Tunnel zurück. Das Höhlencamp war ruhig, der gewundene Gang menschenleer. Mittlerweile verstand ich das System hinter dem unterirdischen Bau: Die fünf Wege, die von dem großen runden Raum abgingen, bildeten ein sternförmiges Muster unter dem gewaltigen Hügel. Ich bog um die Ecke und lief den zweiten Tunnel hinunter, dabei zählte ich im Dunkeln die Türöffnungen.
    Ich dachte wieder an Bennys Bruder Paul, der an dem Tisch in der Ecke gesessen und seine Buchstaben geübt hatte, der sich auf derselben Matratze ausgestreckt und wie ich die Risse in der Lehmdecke betrachtet hatte. Vielleicht hatte er seinen Tod an dem Tag, an dem er starb, vorausgeahnt wie einen herannahenden Sturm. Oder vielleicht hatte er sich den Bogen wie jeden Morgen über die Schulter geworfen und war zur Jagd gegangen. Vielleicht war er an Bennys Zimmer vorbeigekommen und hatte ihn nicht aufwecken wollen, schließlich wusste er nicht, dass es das letzte Mal sein würde – und dann war er plötzlich mitten im Getöse der Flutwelle, wurde von dem Wildwasser hin und her geworfen und saugte statt Luft den tödlichen Fluss in seine Lungen.
    Ich hörte von allen Seiten Schnarchgeräusche, während ich mich den schwach erleuchteten Gang hinunterschlich und mich mit den Händen an den Steinen in der Wand entlangtastete. Ich hatte immer noch so viele Fragen. Was passierte neben der Arbeit und dem Schleppen von Ziegeln und Steinen noch in den Lagern? Wie waren so kleine Kinder wie Benny und Silas in das Höhlencamp gekommen? Ein paar flüchtige Details genügten mir nicht. In mir brannte

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