Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
damit ich mich besser an ihn schmiegen konnte. Ich schloss die Augen, das Lagerhaus verschwand aus meinem Blickfeld. Die Wärme seines Körpers war das Einzige, was ich noch fühlte. Es wäre so leicht, einfach zu bleiben, die Tage im Höhlencamp zu verbringen und nachts mit Caleb auf Raubzüge zu gehen. Sobald meine Gedanken ruhiger wurden, gingen mir die Bilder immer wieder durch den Kopf, eines legte sich über das andere. Arden und ich würden uns um Benny und Silas kümmern, dafür sorgen, dass sie saubere Hände hatten, und ihnen Lesen und Schreiben beibringen. Wir würden so lange mit ihnen arbeiten, bis sie schließlich ganze Abschnitte auf die Lehmwände kritzeln und die Motive aus Shakespeares Wintermärchen erläutern konnten. Ihre neuen Fähigkeiten würden die Jungen in die Lage versetzen, sich zu organisieren, Botschaften an andere geflohene Waisen zu schicken und weitere Pläne mit Moss zu schmieden.
Was Caleb und mich anbelangte … ich wollte mehr von dem, was hier gerade passierte. Mein Kinn an seine Schulter schmiegen, seine Hand auf meinem Rücken, die Leichtigkeit unseres Zusammenseins, wie unsere Körper zueinander sprachen, selbst wenn wir schwiegen.
»Ich habe gerade darüber nachgedacht …«, sagte ich und legte den Kopf zurück, um ihn anzuschauen.
Draußen sprang Michael von der morschen Veranda in die Luft. »Attacke!«, schrie er und man hörte bloß noch ein gewaltiges Platschen. Er wischte sich grünen Dreck vom Gesicht, als er eine rostige Leiter hochkletterte. »Kommt rein, der Matsch ist warm!«
Caleb lachte, dann wandte er sich wieder mir zu. »Du hast gerade darüber nachgedacht …?«
»Califia«, antwortete ich, meine Stimme klang vor Nervosität plötzlich ganz gepresst. »Es kommt mir plötzlich so sinnlos vor, den weiten Weg dorthin zurückzulegen, unser Leben aufs Spiel zu setzen, wenn Arden und ich ebenso gut im Höhlencamp leben könnten. Hier sind wir sicher. Arden könnte mir helfen, die Jungen zu unterrichten, und …« Ich sah voller Hoffnung in seine grünen Augen. »Und wir wären zusammen.«
Plötzlich wirkte Calebs Gesicht angespannt. Er trat einen Schritt zurück und ließ mich los. »Eve …«
Ich konnte jeden Zentimeter zwischen uns spüren, der Zwischenraum wurde immer größer. Hatte er mich missverstanden? Ich räusperte mich. »Ich will bleiben. Ich will im Camp leben, mit dir.«
Er rieb sich den Nacken und seufzte. »Das halte ich für keine gute Idee.« Er senkte die Stimme beim Sprechen, sein Blick wanderte nach draußen, wo die Jungen auf der baufälligen Veranda standen und sich gegenseitig zum Sprung herausforderten.
»Die Truppen des Königs sind immer noch hinter dir her. Wenn sie uns finden … würden die Jungen bestraft. Und du wärst im Camp niemals wirklich sicher …«
Ich wich zurück und vergrößerte nun den Abstand zwischen uns. Jedes Wort traf meine Brust, schlug gegen die Tür zu meinem Herzen, das sich dahinter zusammengerollt hatte und in Schlaf versunken war.
Er wollte mich nicht bei sich haben.
Natürlich nicht. Es war egal, wie er es formulierte, welche Worte er benutzte, um es wegzureden.
Ich schloss die Augen und sah Lehrerin Agnes vor mir und wie ihre Hände zitterten. »Er wollte mich nicht.« Sie blickte aus dem Fenster, während Tränen über die tiefen Falten in ihrem Gesicht liefen. Der Schmerz saß so tief, als hätte er sie gerade erst verlassen. »Ich war eine solche Närrin. Er hat mich nie gewollt.«
Caleb versuchte, mich am Arm zu fassen, doch ich schüttelte ihn ab. »Fass mich nicht an«, sagte ich und trat zurück.
Er war ein Mann, er war immer ein Mann gewesen, mit all seinen Fehlern und kleinen Lügen. Und ich hatte zugelassen, dass er mich in die Arme nahm, dass meine Lippen seine küssten, hatte all seinen Verlockungen nachgegeben. Ich war eine Närrin.
»Ich verstehe sehr gut, was hier läuft. Für dich war das nur ein Spiel, oder?«
Er schüttelte den Kopf, sein Gesicht war leichenblass. »Nein, du hast mir nicht zugehört. Ich möchte, dass du bleibst, aber es geht nicht – es ist nicht sicher.« Er streckte wieder die Hand nach mir aus, aber ich wich ihr aus. »Man will die Lügen glauben«, hatte Lehrerin Agnes gesagt. »Die Schuld liegt bei dem, der glaubt.«
»Bitte – lass mich einfach in Ruhe!«, rief ich, als er noch einmal versuchte, mich anzufassen. Meine Stimme hallte in dem leeren Raum wider. Charlie drehte sich um, seine Hand lag auf dem Fensterrahmen. Auch die anderen Jungen
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