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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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Wald, ihre Stimmen waren lebhaft, sie spielten Fangen. »Caleb hat es erwähnt.« Ich blickte durchs Fenster, doch er war nicht zu sehen, alles war dunkel.
    Leif strich mit den Fingern über das Klavier und fuhr die Maserung des Holzes nach. »Asher. Es ist so lange her, dass ich seinen Namen ausgesprochen habe«, sagte er, mehr oder weniger zu sich selbst. »Unsere Mutter hat immer Klavier für uns gespielt. Ich erinnere mich daran, wie ich mit Asher unter dem Esstisch saß und beobachtet habe, wie die Füße von unserem Vater über das Sofa baumelten, wenn er seine Bücher las, und unsere Mutter die Pedale trat. Während sie spielte, haben wir uns mit unseren Panzern und Lastwagen bekriegt.« Er bewegte die Bierdose am Dosenring hin und her.
    »Denkst du jemals daran, wie es vor der Epidemie war?«, fragte er.
    Ich konnte kaum schlucken. Ich erinnerte mich daran, wie meine Mutter und ich uns an den Händen gehalten hatten: Wenn sie mich durch Gänge im Supermarkt führte, hielt ich mich an ihrem kleinen Finger fest. Ich erinnerte mich daran, wie sie meine Fußsohlen geküsst hatte oder wie ich in ihrem Schrank gesessen hatte, wenn sie sich umzog, und wie ich mich hinter den Kleidern und Hosen versteckte, die so gut nach ihr rochen.
    »Ja«, erwiderte ich. »Manchmal.« Ständig, dachte ich. Ständig.
    Leif presste die Lippen aufeinander, als denke er über das nach, was ich gesagt hatte. Seine Finger glitten über die Tasten und schlugen von Zeit zu Zeit einen Ton an. »La la la«, sang er langsam und zögerlich. Es entwischten ihm noch einige Töne und verbanden sich zu einer vertrauten Melodie. »Kennst du dieses Lied?«, fragte er und drehte sich zu mir.
    »Der Kanon von Pachelbel«, erwiderte ich und spielte die ersten Töne. Obwohl das Klavier nicht gestimmt war, ließ sich die Melodie erkennen. »Das habe ich in der Schule gelernt.«
    »Dieses Stück hat sie immer gespielt.« Er lächelte die Wand an, aber es war klar, dass er durch sie hindurch auf etwas völlig anderes sah.
    Vorgebeugt spielte ich weiter und ließ das Stück Melodie für Melodie erstehen. Ich fühlte, wie sich die vergangenen Stunden zu einer undurchdringlichen Melancholie verdichteten, die alles vergiftete. Der Anblick, als Caleb das Ufer heraufkam, die Stille des Raums, als sich unsere Lippen berührten, sein Herzschlag durch das Hemd, jener Tanz. Nun war alles verändert und erschien mir in einem anderen Licht. Ich würde nicht mit ihm zusammen sein. Weder im Höhlencamp noch sonst wo. Arden und ich würden bald fortgehen, vielleicht morgen. Alles hätte ein Ende.
    »Was hatte ich davon?«, hatte Lehrerin Agnes in die Runde gefragt. »Wozu das alles?«

EINUNDZWANZIG
    Im Lagerhaus war es ruhig. Das Licht, das durch die Fenster hereinfiel, warf Schatten auf die Regale, auf denen sich alte Decken und Medikamente stapelten. Wir hatten für die Nacht unser Lager hier aufgeschlagen, im Erdgeschoss lagen die Jungen gruppenweise auf dem Boden und Arden schlief im Zimmer nebenan.
    Ich wälzte mich hin und her und schlug auf mein provisorisches Bett aus Decken und unförmigen Kopfkissen, weil ich nicht aufhören konnte, an Caleb zu denken. Unser Gespräch und wie er sich auf die Veranda zurückgezogen hatte. Nachdem mir Leif dankbar die Hand gedrückt und ich ihn auf der Klavierbank zurückgelassen hatte, war ich zu Arden gegangen, die draußen in der Nähe des Pools stand. Während die Jungen von Bier und Zucker berauscht ruhiger wurden, beobachtete mich Caleb aus der Ferne und sagte kein Wort mehr.
    Als Arden mich schließlich ins obere Stockwerk zog, Kissen auf den Holzdielen ausbreitete und mich drängte, mich auszuruhen, konnte ich es nicht. Selbst jetzt fand ich keinen Schlaf.
    Stunden waren vergangen. Draußen war nur der Wind in den Bäumen zu hören, von Zeit zu Zeit knackte ein Ast. Hatte ich einen Fehler gemacht? War meine Reaktion ein Reflex gewesen, wie bei diesen Untersuchungen in der Schule, wenn die Ärztin mit dem Hammer auf meine Kniescheibe schlug und mein Bein nach vorn zuckte? Er hatte meine Sicherheit erwähnt. Er hatte gesagt, dass ich ihm etwas bedeutete. Danach hatte ich ihn angeschrien und weggestoßen. Was wäre passiert, wenn er weitergeredet hätte? Während ich es erneut in meinem Kopf durchspielte und mir sein Gesicht vorstellte, öffnete sich die Tür und hinter den Holzregalen tauchte eine Gestalt auf.
    »Eve?«
    »Caleb?«, fragte ich zurück und setzte mich auf.
    Er stolperte, mehrere Kisten polterten zu Boden.

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