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Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Titel: Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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sie schien so weit weg.
    »Euch geht es nicht gut«, bot sie an und sagte dann für sich selbst, als ich langsam wegdämmerte. »Ja, das wird es sein.«

DREIZEHN
    Der König trat auf die Aussichtsplattform und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ich bekam wackelige Knie, als ich auf die winzige Welt hundert Stockwerke tiefer heruntersah. Die Mauer wand sich in einer Riesenschleife um die Stadt, noch kilometerweit über die Häuseransammlung im Zentrum hinaus. Im Osten erstreckten sich ausgedehnte Getreidefelder. Im Westen standen alte Lagerhäuser. Das Gelände in Mauernähe war voller eingestürzter Gebäude, Müllberge und verrosteter, sonnengebleichter Autos.
    »Du warst bestimmt noch nie so hoch oben?«, fragte der König und warf einen Blick auf meine Hände, die das Metallgeländer umklammerten. »Vor der Pest gab es in jeder großen Stadt solche Gebäude mit Büros, Restaurants und Wohnungen.«
    »Warum hast du mich hierhergebracht?«, fragte ich und starrte auf die niedrige Brüstung vor mir, das Einzige, was einen Sturz in die Tiefe verhinderte. »Was soll das alles?« Ich hatte den Tag in den obersten Stockwerken des Palastes verbracht. Mein Arm war genäht und verbunden. Ich hatte ein ausgiebiges Bad genommen und den Abfluss mit Dreck und Blätterresten verstopft. Der König hatte darauf bestanden, dass ich ihn zu diesem hohen Turm begleitete, während er sich ununterbrochen über seine Stadt ausließ. Nun meine Stadt.
    Er umrundete schnell die kleine Plattform. »Ich wollte, dass du den Fortschritt mit eigenen Augen siehst. Dies ist der beste Ausblick in der ganzen Stadt. Der Aussichtsturm des Stratosphere Hotels war früher der höchste in Amerika, und nun benutzen wir ihn als Überwachungszentrum der Armee. Von hier oben kann ein Soldat meilenweit blicken. Sandstürme, Banden. Im Falle eines Überraschungsangriffs durch ein anderes Land oder eine der Kolonien werden wir frühzeitig gewarnt.«
    In dem gläsernen Turm wimmelte es von Soldaten. Sie spähten durch die Metallfernrohre und suchten die Straßen darunter ab. Einige saßen mit Kopfhörern an Schreibtischen und lauschten Funknachrichten. Ich sah mein Spiegelbild in den Fenstern. Die Haut unter meinen Augen war verquollen. Ich war mitten in der Nacht aufgewacht und hatte versucht zu entscheiden, was ich wegen Caleb unternehmen sollte. Mir war klar, dass ich ihn schon durch die bloße Erwähnung seines Namens in noch größere Gefahr bringen konnte. Aber ich wusste auch, dass Stark nicht aufhören würde, nach ihm zu suchen. Ich konnte nicht zulassen, dass er für das bestraft wurde, was ich getan hatte. »Es gibt etwas, das du wissen solltest«, sagte ich nach einer ganzen Weile. »Stark hat dich angelogen. Der Junge, der in der Wildnis bei mir war – nicht er hat die Soldaten erschossen.«
    Der König blieb wie angewurzelt am Geländer stehen. Er wandte sich zu mir und blinzelte in die Sonne. »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß nicht, was Stark dir erzählt hat, aber dieser Junge hat mir in der Wildnis geholfen. Er hat mich gerettet. Ich war diejenige, die die Soldaten erschossen hat, als sie ihn angriffen.« Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich sah nur noch den Körper des Soldaten auf den Boden schlagen und wie das Blut unter ihm eine Pfütze bildete.
    »Du darfst ihn nicht bestrafen«, fuhr ich fort. »Du musst die Suchaktion beenden. Es war Notwehr. Sie hätten ihn umgebracht.«
    Der König drehte sich mit leicht schief gelegtem Kopf vollends zu mir um. »Und selbst wenn sie es getan hätten? Was bedeutet er dir? Dieser Bursche Caleb, dem du damals nachts diese Nachricht geschickt hast.«
    Bei der Erwähnung seines Namens wich ich einen Schritt zurück, ich hatte zu viel von mir preisgegeben. »Ich kannte ihn nicht gut.« Meine Stimme zitterte. »Er hat mich über den Berg geführt.«
    Der König musterte mich fragend. »Es interessiert mich nicht, was er dir erzählt hat, Genevieve. Streuner können einen unglaublich manipulieren. Sie sind dafür bekannt, dass sie Menschen in der Wildnis ausnutzen.« Er deutete zum Horizont, wo die Berge den Himmel berührten. »Es gibt einen ganzen Ring von ihnen, der mit Frauen wie dir handelt. Mit jedem Mädchen, das ihnen in die Finger kommt.«
    Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und dachte an Fletcher und seinen Laster, an die Gitterstäbe, die meine Haut verbrannt hatten. In dem, was er sagte, lag ein Fünkchen Wahrheit, andererseits hätte ohne den König keine von uns überhaupt davonlaufen

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