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Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Titel: Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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allem sah die Menge vor uns verletzlich und verzweifelt aus. Ihre Gesichter waren eingefallen, ihre Schultern gebeugt. Einige waren voller Narben, andere hatten ledrige, sonnenverbrannte Haut und tiefe Falten auf der Stirn. Einem Mann, der auf einem Hotelvordach stand, fehlte ein Arm. Die Lehrerinnen hatten oft von dem Chaos in den Jahren nach der Seuche gesprochen. Aus Angst vor Krankheiten ging niemand in ein Krankenhaus. Gebrochene Arme wurden mit Stuhlbeinen oder Besenstielen geschient. Wunden wurden mit Nähgarn zusammengeflickt und infizierte Gliedmaßen mit Handsägen amputiert. Die Menschen plünderten die Läden. Überlebende wurden auf dem Heimweg vom Supermarkt ausgeraubt oder in ihren Autos überfallen, in ihre Häuser wurde eingebrochen. Menschen starben bei dem Kampf um eine Flasche Wasser. Das Schlimmste haben sie den Frauen angetan, hatte Lehrerin Agnes gesagt, während sie aus dem Fenster starrte, dessen Rahmen an den Stellen, wo das Gitter entfernt worden war, beschädigt und voller Löcher war. Vergewaltigungen, Entführungen und Missbrauch. Meine Nachbarin wurde erschossen, als sie sich weigerte, ihre Tochter einer Bande zu übergeben.
    Der König räusperte sich und legte eine Pause ein, bevor er seine Rede beendete. »Euer König zu werden, war die größte Ehre meines Lebens. Wir haben uns auf einen langen Weg eingelassen und ich werde euch bis zum Ende beistehen.« Seine Stimme versagte. »Ich werde euch nicht enttäuschen.«
    Der König nahm seinen Platz neben mir ein. Er umfasste meine Hand und drückte sie. Wenn man auf die Menge schaute, war es einfach zu glauben, dass er recht hatte – dass er die Menschen innerhalb der Stadtmauern tatsächlich gerettet hatte. In seiner Gegenwart wirkten sie ruhig, sogar glücklich. War ich die Einzige, die in diesem Moment an die Jungen in den Arbeitslagern dachte oder an die Mädchen, die in den Schulen gefangen gehalten wurden?
    Hinter uns standen Kinder auf einer Tribüne. Sie waren alle ungefähr fünf Jahre alt – so alt wie Benny und Silas –, doch viel kleiner. Die Jungen trugen makellose weiße Hemden und Hosen, die Mädchen dieselben Kittel wie wir in der Schule, graue Kleider mit dem Wappen des Neuen Amerika auf der Brust. »Amazing Grace« , sang ein Mädchen mit einem langen kastanienbraunen Zopf ins Mikrofon. »How sweet the sound, that saved a wretch like me. I once was lost but now am found …«
    Der Chor stimmte ein und wiegte sich beim Singen hin und her, die Stimmen waren in der ganzen Stadt zu hören. Vielleicht waren ihre Mütter die Mädchen, die fünf Jahre vor mir ihren Abschluss gemacht hatten. Pip und ich hatten sie aus unserem Fenster im ersten Stock beobachtet. Es gefiel uns, wie sie liefen, wie sie ihr Haar zurückwarfen, wie fraulich sie wirkten, wenn sie anmutig über den Rasen flanierten. Ich will genau wie sie sein, hatte Pip gesagt, als sie den Kopf über das Steinsims streckte. Sie sind so … cool.
    Die Menge war überwältigt. Einige schlangen die Arme um ihre Freunde, andere standen mit geschlossenen Augen da. Eine Frau senkte den Kopf und tupfte ihr tränennasses Gesicht mit dem Ärmel ihres Hemdes ab. Ich wollte schon wegsehen, doch irgendetwas hinter ihr stach mir ins Auge. Nur einen Meter von der Metallabsperrung entfernt stand ein Mann. Alle anderen waren in die Musik versunken. Er stand mitten unter ihnen. Er rührte sich nicht. Er schenkte weder den Kindern hinter mir noch Lieutenant Stark noch dem König die geringste Aufmerksamkeit. Er sah nur mich an.
    Dann lächelte er. Das Lächeln war kaum wahrnehmbar – nur eine kleine Bewegung der Lippen, ein Leuchten in seinen blassgrünen Augen. Sein Schädel war rasiert. Er war dünner und trug einen dunkelbraunen Anzug. Doch mein ganzer Körper erkannte ihn, Tränen schossen mir in die Augen, als wir einander anstarrten und diese Wahrheit verstanden.
    Caleb hatte mich gefunden.
    Er war in der Stadt aus Sand.

FÜNFZEHN
    Das Lied war zu Ende. Ich starrte noch immer auf sein Gesicht, auf seine hohen Wangenknochen, den Mund, den ich früher so viele Male geküsst hatte. Ich musste mich zwingen, den Blick abzuwenden. Caleb lebte, er war hier, wir würden zusammen sein. Die Gedanken stürmten alle gleichzeitig auf mich ein.
    Doch dann starrte ich auf die Hand des Königs, die auf meiner lag. Dass Stark nur zwei Plätze weiter saß, versetzte meinen Magen in Aufruhr. Die Soldaten waren hinter Caleb her. Alle wollten ihn tot sehen.
    Der König erhob sich und griff

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