Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
ziehen, so nah, dass sein Kinn auf meiner Schulter lag, sein Gesicht sich an meinen Hals schmiegte. Ich wollte seine Arme um mich spüren, unsere Körper aneinanderpressen, damit wir wieder eins waren.
Doch der Soldat drehte sich wieder zur Menge. Er wandte sich von der Frau im weißen Kleid ab, lief um mich herum und brüllte einen Mann an, der auf einem Mülleimer stand, um eine bessere Sicht zu haben. Der König trat von der Metallabsperrung zurück und gab mir ein Zeichen, dass wir in den Palast zurückgehen würden. Ein blonder Junge streckte mir über Calebs Arm hinweg die Hand entgegen und wollte mich unbedingt begrüßen.
Caleb überließ mich ihnen.
Ich stand da, die Stimmen von Fremden im Ohr, meine Hand war noch immer warm von seiner Berührung. Ich brauchte eine Sekunde, bis ich das winzige Papierstückchen bemerkte, das zwischen meinen Fingern steckte, es war so oft zusammengefaltet, dass es kleiner war als eine Münze. Ich legte die Hand auf den Oberkörper und schob es in den Ausschnitt.
»Willkommen, Prinzessin«, sagte der Junge, als er meine Hand ergriff. »Wir freuen uns sehr, dass Ihr hier seid.«
Während Caleb sich abwandte und die Mütze ins Gesicht zog, blieb ich dort stehen, erstarrt unter dem Blick meines Vaters. So plötzlich wie er aufgetaucht war, war Caleb verschwunden.
SECHZEHN
Eine Stunde später war der Wintergarten voller Menschen. Frauen in Ballkleidern flanierten durch den überdachten Garten und bewunderten die pfirsichfarbenen Rosen und blühenden Hortensien. Über der Menge schwebten große Ballonskulpturen. Nach der Parade waren viele der Außenbezirkler, so bezeichnete sie der König, wieder in die entlegenen Gebiete der Stadt verschwunden, wo es bis auf ein paar Häuser und einige Motels nichts gab. Andere waren mit den Hochbahnen in ihre Wohnblocks zurückgefahren. Nur eine kleine Gruppe – Mitglieder der Elite – war zu dem anschließenden Empfang geladen. Einige warteten in Schlangen auf eine Fahrt mit den großen Ballons. Einige kletterten in die Gondeln und stiegen zur Glasdecke hinauf.
Ich beobachtete das Treiben und konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Caleb lebte. Er war innerhalb der Stadtmauern. Ich drückte die Finger auf den Ausschnitt meines Kleides und tastete nach dem winzigen Papierfetzen, um mich zu vergewissern, dass er auch wirklich existierte.
»Ist das nicht unglaublich?« Ein junger Mann stellte sich neben mich. Er hatte einen dichten schwarzen Haarschopf und ein markantes Gesicht. Als er näher kam, drehte sich eine Gruppe Frauen nach ihm um. »Der Wintergarten ist zu einem meiner Lieblingsplätze zwischen den Läden im Palast geworden. Morgens ist es ruhig, fast menschenleer. Man kann tatsächlich die Vögel in den Bäumen hören.« Er deutete auf einige Spatzen, die über einem kleinen Springbrunnen auf einem Zweig saßen.
»Es ist beeindruckend«, erwiderte ich und hörte ihm nur mit halben Ohr zu. Vor mir begrüßte der König den Finanzminister und den Landwirtschaftsminister, zwei Männer in dunklen Anzügen, die ununterbrochen miteinander zu flüstern schienen. Sie waren mir egal. Ich hasste auch die Menge nicht, die dem Lieutenant gratulierte. Alles erschien mir nun gewisser, die ganze Stadt irgendwie leichter zu bewältigen. Ich hatte mich nach der Parade auf die Toilette geschlichen und hatte es ausgekostet, für ein paar Minuten allein in dem kalten Raum zu sein. Caleb hatte auf der einen Seite des Zettels eine Karte gezeichnet. Die Linie schlängelte sich aus dem Palast über die Überführung zu einem Teil der Stadt, wo der Wiederaufbau noch nicht begonnen hatte. Eine Sackgasse war mit einem X markiert. Ich war mit dem Finger über die Nachricht gefahren und hatte sie immer wieder gelesen.
Triff mich um 1:00 Uhr, hatte er unten auf die Seite geschrieben. Geh nur auf der markierten Route.
Der Mann sah mich noch immer an, seine Lippen amüsiert verzogen. Ich drehte mich zu ihm und nahm zum ersten Mal seine klaren blauen Augen wahr, seine reine samtige Haut, die Art, wie er dort absolut selbstsicher mit einer Hand in der Hosentasche stand. »Ich finde Sie beeindruckend«, flüsterte er.
Meine Wangen fingen an zu glühen. »Ach ja?« Ich kannte mittlerweile den schäkernden Unterton in seiner Stimme, die Art, wie er sich beim Sprechen vorbeugte: Er flirtete mit mir.
»Ich habe in der Zeitung von Ihrem Abenteuer gelesen, wie Sie tagelang durch die Wildnis geirrt sind. Wie Sie überlebt haben, nachdem der Streuner Sie
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