Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
er das eine Ende mit einer schnellen Handbewegung um das andere schlang, bis er schließlich den Knoten an seinem Hals festzog. »Ich bin für die Baustellen zuständig. Ich kämpfe nicht gegen die Rebellen. Ich bin wie jeder andere hier in dieser Stadt und tue mein Bestes im Rahmen meiner Möglichkeiten.«
»Das reicht nicht«, schnappte ich. Das alles war nicht seine Schuld, das wusste ich, aber er war nun mal der Einzige, der gerade in Reichweite war.
Charles wich vor mir zurück, seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Er hasste es, wenn ich ihm vorwarf, auf der Seite des Königs zu stehen, und ihn für die Taten meines Vaters verantwortlich machte. Aber er stand auf seiner Seite, oder nicht? Wenn er sich für eine Verbesserung der Umstände in den Lagern eingesetzt hatte, wie er behauptete, warum hatte sich dann nichts geändert? Warum hatte er, ausgerechnet er, es nicht beendet?
Ich zog mich hastig um, wobei ich mich vor ihm im kühlen Badezimmer versteckte. Die Stille draußen machte mir Angst. Es war höchstens acht Uhr. Wenn mein Vater oder der Lieutenant eine Rede halten wollten, hatten sie den Termin noch vor das Frühstück gelegt, auf einen Zeitpunkt, zu dem die meisten von uns gerade erst aufwachten.
Ich verließ das Zimmer und lief durch den Flur, vorbei an einer Suite nach der anderen. Kurz darauf hörte ich, wie die Tür aufging und Charles’ Schritte mir folgten. Ich drehte mich gar nicht erst um. »Was hast du vor?«, fragte ich.
»Ich könnte dich dasselbe fragen.«
»Ich gehe nach unten, um nachzusehen, was da vor sich geht.«
Ich lief weiter, unsere Schritte im Gleichklang, bis er beschleunigte und mich einholte. Er war immer noch damit beschäftigt, seine Krawatte zu richten. »Ich begleite dich«, sagte er. Die kühle Luft im Flur jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Am anderen Ende des Korridors, in der Nähe der Suite meines Vaters, hörte ich Geflüster: leise Stimmen, die aus dem Salon kamen. Die Soldaten, die normalerweise vor dem Aufzug und dem Treppenaufgang Wache standen, waren verschwunden.
Wir betraten den Raum. Eine Gruppe aus einigen Soldaten und Bediensteten aus der Palastküche drängte sich um das Fenster. Eine der Köchinnen, die seit Tagen im Turm festsaß und das Ende der Belagerung erwartete, presste die Hand gegen die Scheibe. Ihre Augen waren rot.
»Was ist los?«, fragte ich. »Was geht da vor sich?«
Die Soldaten wandten kaum den Blick vom Fenster. Ich gesellte mich zu ihnen und versuchte zu erkennen, was da draußen geschah. Weit unter uns hatte der Jeep sich erfolgreich einen Weg durch die Menge gebahnt. Die hintere Tür schwang auf und die Soldaten strömten heraus. Es war unmöglich zu sagen, wer ausgestiegen war, aber im selben Moment, als die Soldaten sich der Menge näherten, gerieten die Menschen in Bewegung. Ihre Schreie und Rufe vermischten sich zu einem einzigen Aufschrei. Eine Gruppe von Menschen kam zusammen und zerstreute sich gleich wieder in alle Richtungen wie ein Fliegenschwarm. »Die Anführer der Rebellen«, sagte einer der Soldaten, ohne sich umzudrehen. »Sie haben sie gefunden.«
Panik stieg in mir auf, ich fühlte meinen Pulsschlag bis in meine Hände pulsieren. »Wer ist es?«, fragte ich. »Wo haben sie sie gefunden?«
Ich drehte mich um und sah einige der Bediensteten an. Die Köchin, eine ältere Frau mit einem langen weißen, geflochtenen Zopf, legte ihre Hand ans Kinn. »Irgendwo in den Außenbezirken, könnte ich mir vorstellen.« Sie sah mich dabei nicht an.
Markus, einer der Servierer aus dem Esszimmer, hatte seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Wangen schlaff. »Arme Schweine.«
»Sie sind ja wohl alles andere als unschuldig, oder?«, blaffte einer der Soldaten. »Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen in den vergangenen Tagen bei der Verteidigung der Stadt ums Leben gekommen sind?«
»Wohin bringen sie sie?«, unterbrach ich ihn.
Einige von ihnen drehten sich zu mir um und musterten mich eingehend, aber niemand sagte etwas. Ich ging zurück auf den Flur. Charles folgte mir dicht auf den Fersen. Wieder und wieder drückte ich auf den Knopf, während ich hörte, wie der Aufzug im Schacht aufstieg. Erst als wir in der Kabine standen und sich die Türen hinter uns geschlossen hatten, begann ich zu sprechen.
»Sie haben sie hierher gebracht, vor den Palast, um was zu tun? Um dem Volk eine Lektion zu erteilen? Um allen zu zeigen, was mit Leuten passiert,
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