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Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Titel: Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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gebeugt, sein Gesicht fahl.
    »Ich fühle mich nicht gut. Ich kann jetzt nicht«, antwortete ich und wandte mich zum Gehen. »Es tut mir leid.« Ich ging in Richtung meiner Suite, doch er folgte mir und ergriff meinen Arm.
    »Er ist möglicherweise nur eine oder zwei Stunden wach«, sagte er. Er deutete auf das andere Ende des Flurs. »Er sagte, es sei wichtig.«
    Schweigend gingen wir nebeneinander her. Ich sträubte mich nicht länger. Ich wusste, wie seltsam es dem Arzt erscheinen musste, wenn ich mich weigerte, mit meinem Vater zu sprechen, nun, da er so krank war. Meine eine Hand umklammerte die andere so fest, dass sie den Fingern das Blut abschnürte, während ich versuchte, die Zweifel in mir niederzuringen.
    »Unsere Tests sind bisher zu keinem Ergebnis gekommen«, sagte der Arzt schließlich, als wir uns der Suite meines Vaters näherten. »Wir konnten immerhin schon einiges ausschließen; im Moment ist sein Zustand stabil.«
    Ich konnte das Bleichmittel schon vom Flur aus riechen. Drinnen war der Gestank noch schlimmer und vermischte sich darüber hinaus mit dem stechenden Krankheitsgeruch, der nach wie vor in der Luft hing. Ich ging zur Schlafzimmertür und war überrascht, als ich meinen Vater im Bett sitzen sah. Die Vorhänge waren zurückgezogen worden und im Zimmer war es unerträglich hell.
    Er sah zerbrechlich aus: Seine Haut war pergamentartig und dünn. Durch das Sonnenlicht erschien er noch bleicher und seine graublauen Augen wirkten beinahe durchscheinend. Seine Lippen waren aufgesprungen und bluteten. Ich drehte mich nach dem Arzt um, aber er war gegangen. Die Eingangstür der Suite fiel ins Schloss und ließ uns beide allein und schweigend zurück.
    Ich brachte es nicht über mich, ihn zu fragen, wie es ihm ging. Genauso wenig gelang es mir, dazustehen und so zu tun, als wäre dies nicht genau das, was ich gewollt hatte. Stattdessen setzte ich mich einfach ans Fußende seines Bettes und legte die Hände in den Schoß, um ihr Zittern zu verbergen. Es dauerte eine Weile, bis er zu sprechen begann.
    »Du hast mich angelogen«, sagte er. Er musterte mein Profil eingehend.
    Mein Hals war so trocken, dass es wehtat. Es war unmöglich abzuschätzen, was er wusste oder woher er es wusste; ob ich mich noch einmal herausmanövrieren konnte oder ob die Situation ausweglos war.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete ich, merkte aber selbst, wie erbärmlich das klang.
    »Ich glaube dir kein Wort mehr, Genevieve.« Er nestelte an dem Pflaster auf seinem Handrücken. Ein Plastikschlauch wand sich darunter hervor, dessen anderes Ende in einem schlaffen Beutel mit Flüssigkeit steckte. »Ich habe schon vor einer ganzen Weile aufgehört, dir zu glauben. Und ich bin mir sicher, dass es dir mit mir ganz genauso geht.«
    »Warum fragst du mich dann überhaupt noch?« Es hatte wenig Sinn, ihm jetzt noch irgendetwas vorspielen zu wollen. Wir hatten uns schon lange nichts mehr zu sagen. In den letzten Monaten war die Feindseligkeit zwischen uns immer weiter angewachsen. Selbst meine Schwangerschaft hatte das nicht lange ändern können.
    Er stieß einen leisen, rasselnden Seufzer aus und ließ den Kopf zurück in sein Kissen sinken. »Raus damit – gibt es mehr als einen Tunnel in die Außenbezirke?«
    »Ich habe dir bereits alles erzählt, was ich über die Pläne der Dissidenten weiß«, sagte ich schnell, wobei ich ihm fest in die Augen blickte. »Caleb hat mir nicht mehr erzählt, als ich für unsere Flucht wissen musste.«
    »Dann erklär mir doch mal, wie sie in die Stadt gelangt sind«, forderte er. Ein schmales Rinnsal aus Schweiß lief ihm über die Schläfe und verfing sich im Haar über seinem Ohr. »Das Nordtor ist, all ihren Anstrengungen zum Trotz, vollkommen unbeschädigt. Und trotzdem befinden sich Tausende von ihnen innerhalb der Stadtmauern. Tausende.«
    »Ich weiß es nicht«, wiederholte ich, diesmal mit mehr Nachdruck. »Und wir können dieses Gespräch gerne noch einmal führen, wenn du willst, auch im Beisein des Lieutenants, aber es wird sich nichts ändern. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen.«
    Langsam, ohne ein weiteres Wort, ließ er seinen Oberkörper ins Kissen sinken. Er sah irgendwie kleiner aus, seine Arme, die aus dem weiten Nachthemd herausragten, waren ganz dünn. »Sie werden die Stadt nicht einnehmen. Das lasse ich nicht zu«, sagte er. Er sah mich nicht an. Stattdessen blickte er aus dem Fenster auf einen nicht zu erkennenden Punkt in der Nähe der östlichen Mauer.

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