Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
plumpsen ließ. Es sah so selbstverständlich aus, wie sie den Stoff aneinanderrieb, um den Dreck herauszulösen, dass ich sie kaum noch als das Mädchen erkannte, dass ich vor so vielen Monaten im Palast kennengelernt hatte. Sie breitete die Kleider neben den restlichen Sachen zum Trocknen auf den Steinen aus. Hemden und Hosen, Pullover und Socken – sie alle lagen dort wie farbenfrohe Schatten am Ufer.
Als Sarah und ich mit Töpfen für das Seewasser den Hang hinabliefen, bemerkte ich Helene. Sie saß am Rand, ihr verletzter Fuß ruhte im flachen Wasser. Die Schwellung war zurückgegangen, aber nun wurde deutlich, dass der Knochen nicht richtig zusammengewachsen war. Ihr Knöchel wölbte sich in einem unnatürlichen Winkel nach außen. Sie streckte die Hand danach aus und drückte mit den Fingern auf die empfindliche Stelle, wo der Knochen gebrochen war. »Lass das lieber«, riet ich, während ich die Töpfe abstellte. Ich beugte mich über sie, um mir das Bein genauer anzusehen. Die Haut war grünlich blau – Überreste der Blutergüsse.
»Es sieht furchtbar aus«, sagte sie. »Letzte Nacht bin ich aufgewacht, weil es so gepocht hat. Das wird jetzt für immer so bleiben, oder? Ich werde nie wieder damit laufen können.« Sie suchte in meinem Gesicht nach einer Antwort.
»Wir besorgen dir bessere Hilfe, wenn wir in Califia sind. Dort gibt es eine Frau, die Medizin studiert hat. Ich kenne mich damit nicht gut genug aus, um dir mehr zu sagen«, beschwichtigte ich und strich ihre Zöpfe zurück. Aber nun, nach mehr als einer Woche, sah es ganz so aus, als sei der Knochen falsch gerichtet worden. Es gab vielleicht die Chance, ihn noch einmal zu brechen, aber das konnte ich mir nicht vorstellen – die ganzen Schmerzen von Neuem durchstehen zu müssen. Ich hob die beiden Bretter auf und stellte sie zu beiden Seiten ihres Unterschenkels ab, dann half ich ihr, die Schiene wieder zu befestigen.
Sarah ließ ihre Töpfe am Rand des Sees fallen. »Das sagt Beatrice auch ständig, aber wie lange müssen wir hierbleiben, bevor wir weiterziehen können?« Sie zeigte hinaus aufs Wasser. »Wenn wir noch länger hier sind, musst du uns zumindest beibringen, wie man schwimmt. Wie sollen wir beim Fischen helfen, wenn wir nicht weiter als bis zu den Knien hineinkönnen?«
»Das hier ist ein guter Ort, um uns auszuruhen«, antwortete ich. »Hier haben wir Vorräte und brauchen nachts keine Wache aufzustellen. Wir sollten noch ein, zwei Tage hierbleiben.« Ich starrte auf einen Fleck am anderen Ufer des Sees, wo ich gerade eben Ruby und Pip hinter den Bäumen ausmachen konnte. Sie zogen jeden Morgen alleine los, um Beeren und wilde Trauben zu sammeln. Ich wusste nicht, ob es je genug Zeit sein würde, die ich hier verbracht hatte. Drei Tage oder dreißig; wenn ich ging, würde ich sie von Neuem zurücklassen.
Ich zog meinen Pullover über meinen sich rundenden Bauch, um sicherzustellen, dass er vollständig bedeckt war. Jeden Tag fühlte mein Körper sich anders an. Ich hatte meine abgetragene Jeans gegen eine größere Hose getauscht und den Gürtel angepasst. Meine Brüste waren geschwollen und schmerzten, mein Gesicht war voller und ich konnte spüren, wie mein Bauch weiter wuchs, sodass es immer schwieriger wurde, ihn zu verstecken. Ich hatte es den Mädchen nicht sagen wollen. Ich hatte mir vorgestellt, wie dies ihre Wahrnehmung mir gegenüber verändern würde; vielleicht hielten sie mich für schwächer, verwundbarer, wenn sie es wüssten. Solange wir unterwegs waren und unsere mageren Vorräte untereinander teilten, wollte ich nicht, dass sie sich Sorgen machten, dass es nicht reichen würde. Beatrice und Sarah hatten bereits darauf bestanden, ihre winzigen Portionen mit mir zu teilen, um mich auf unserem Weg zum Unterschlupf bei Kräften zu halten.
Und dann war da noch Caleb. Es war so lange her, dass ich seinen Namen das letzte Mal ausgesprochen hatte. Wie sollte ich erklären, was zwischen uns geschehen war? Wie sollten die Mädchen verstehen, dass ich nicht einfach nur Zeit mit ihm verbracht, sondern dass ich ihn geliebt hatte? War ich nicht wie jene Frauen, von denen die Lehrerinnen immer gesprochen hatten: gewissermaßen von ihrer Liebe zerstört? Es war, als hätte jemand eine unsichtbare Mauer errichtet, die mich von allen anderen trennte. Was sollte ich nun, da Caleb tot war, mit all der Liebe anfangen, die ich immer noch verspürte? Wo sollte ich damit hin?
Pip und Ruby kamen zwischen den Bäumen hindurch
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