Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
steckte sie in meine Innentasche.
Ich warf einen Blick in den schmalen Vorraum. »Das reicht für vier Monate«, sagte ich und ließ die Hand über eine Reihe von Konservendosen gleiten, deren Etiketten sich längst abgelöst hatten. Gleich darunter befanden sich Gläser mit getrockneten Beeren und Nüssen, gepökeltem Wildschweinfleisch und abgekochtem Seewasser. In einer Ecke des Raums stapelten sich Kisten: das Resultat einer erst kürzlich durchgeführten Lagerhausplünderung.
»Die Jungs meinten, es könnte bis zu sechs Monate reichen.« Ruby nahm einige Gläser mit Wasser heraus. »Aber wir haben es noch weiter aufgestockt. Wir haben Hagebutten, wilde Beeren und Weintrauben gefunden. Wenn Fische bis ins flache Wasser kommen, versuchen wir, sie mit dem Netz herauszuholen, aber ohne schwimmen zu können, kommen wir nicht sehr weit.« Sie setzte sich neben Pip und schraubte den Deckel für sie ab. Pip schwieg.
»Das ist klug«, sagte ich. »Wir können unmöglich wissen, ob sie die Belagerung überlebt haben oder nicht. Und wenn euch einmal die Vorräte ausgegangen wären, wäre es wohl zu spät gewesen, mit dem Sammeln anzufangen.« Mein Blick fiel für einen Moment auf Pip und Ruby. Ihre Schwangerschaften waren weiter vorangeschritten als meine, zwei Monate mindestens – wenn nicht mehr.
Am anderen Ende des Raums saßen die Mädchen vor dem Feuer. Jetzt, da sie Silas und Benny gesehen hatten, fühlten sie sich deutlich wohler. Helene, der ihre Anwesenheit am wenigsten auszumachen schien, erklärte Silas ihre Schiene, wobei sie sie sogar abnahm, damit er das Bein darunter sehen konnte. Beatrice verteilte die Karottensuppe auf die Plastikbehälter, die die Jungs einmal als Tassen benutzt hatten. »Eve ist zurück«, sagte Benny und ritzte mit einem Zweig die Worte in den erdigen Boden, während er sie aussprach, um sie dann Bette und Sarah zu zeigen. Ich hätte erleichtert sein sollen – dass Leif nicht hier war, dass meine Freunde am Leben und in Sicherheit waren. Aber mein Blick wanderte immer wieder zu Pip zurück. Sie saß an die Wand gelehnt, drehte den Löffel hin und her und hielt die Augen stur auf die dampfende Suppe gerichtet.
Sie waren beide über den fünften Monat hinaus, aber das wirkte sich so unterschiedlich auf sie aus. Ruby sah gesünder aus, ihr Gesicht war voller und ihre Wangen rund und rosig. Wenn sie gerade einmal nicht sprach, wanderte eine ihrer Hände zu ihrem Bauch und schmiegte sich an die weiche Stelle unter ihrem Bauchnabel. Pip sah dagegen aus, als würde sie gegen eine Krankheit ankämpfen. Ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren. Ihre Augen waren gerötet und traurig und in den Stunden, die vergangen waren, seit ich sie entdeckt hatte, hatte sie nur einige wenige Worte mit mir gesprochen, jedes davon abgehackt und befremdlich.
»Und Arden ist nicht schwanger – da seid ihr euch sicher?«, fragte ich leise, damit uns niemand hörte.
Ruby nickte. »Ganz sicher. Das ist einer der Gründe, weshalb wir die Anlage verlassen haben.«
»Wann seid ihr geflohen? Wie hat Arden euch hierhergebracht?«
Sie warf einen Seitenblick auf Pip und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Über Pips Gesicht huschte ein Ausdruck, den ich nicht erkannte. Pips Augen waren unfokussiert, als befände sie sich in einer anderen Zeit an einem anderen Ort. »Vor ungefähr einem Monat«, sagte Ruby. »Wir waren wochenlang in dem Zimmer neben ihr, ohne dass sie etwas gesagt hätte. Und dann war sie eines Nachts auf einmal da. Alle anderen schliefen. Sie öffnete die Hand und darin lag der Schlüssel. Sie sagte, du hättest ihn ihr gegeben und wir hätten nur diese eine Chance zu fliehen.
Sie hatte sich mit einer der Wachen angefreundet. Miriam hieß sie, glaube ich. Arden half manchmal, wenn im Gebäude irgendwelche Aufgaben anfielen – fegen, Ausrüstung durch die Gegend tragen, so etwas. Sie dachte, das würde ihnen zeigen, dass sie sich geändert hatte, dass sie keine Bedrohung war. Wenn sie sich im Lager nützlich machte, dachte sie, würden sie sie nicht dazu zwingen, für die Armee zu trainieren – es gab Gerüchte, was passieren würde, wenn sie nicht schwanger wurde. Wir sind in jener Nacht mit ihr geflohen – sie hatte Miriam einen Sicherheitscode gestohlen. Und sie ist mit uns beiden nacheinander durch den See geschwommen. Wir befanden uns gleich südlich des Unterschlupfs, deswegen sind wir hergekommen, um uns ein paar Vorräte zu besorgen. Da haben wir zum ersten Mal von der Belagerung
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