Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
das hier nicht ausgesucht.« Sie blickte auf ihren Bauch hinunter, auf das T-Shirt, das darüber spannte. Dann ließ sie den Kopf sinken und legte die Finger über ihre Augen.
»Wir haben keine Wahl mehr. Ich will nicht die Tochter meines Vaters sein. Ich war während der Belagerung in der Stadt – ich habe gesehen, wie meine Freunde gehängt wurden. Ich habe gesehen, wie jemand, den ich geliebt habe, von Soldaten erschossen wurde. Nichts davon wollte ich. Wir alle tun das Beste im Rahmen unserer Möglichkeiten«, wiederholte ich Charles’ Worte. Der Palast, die Suite – das alles schien weit entfernt zu sein, eine Erinnerung aus einer vergangenen Zeit. »Und vielleicht ist das Beste, was manche Leute tun können, eben nicht genug. Vielleicht habe ich nicht genug getan.«
»Jemand, den du geliebt hast?«, fragte Pip. »Ist das der, von dem Arden uns erzählt hat? Caleb?«
»Er wurde getötet«, antwortete ich. Ich wusste nicht, ob ich weitersprechen sollte, aber irgendwie fühlte es sich falsch an, dass Clara und Beatrice etwas wussten, was Pip nicht wusste. Auch jetzt noch, nach so vielen Monaten, die wir getrennt gewesen waren. »Ich bin schwanger. Fast im vierten Monat. Das habe ich den anderen Mädchen nicht erzählt.«
Pip musterte mich eindringlich. »Warum hast du das getan?«, fragte sie. »Wie kannst du das gewollt haben?«
»In der Stadt gibt es keine Möglichkeit, es zu verhindern«, erklärte ich. »Und nach alldem, was uns die Lehrerinnen erzählt haben, wusste ich einfach nicht, was die Wahrheit war. Ich war mir nicht über alle Konsequenzen im Klaren, aber ich bereue nicht, was wir getan haben. Ich habe ihn geliebt.«
Pip schüttelte den Kopf. »Wir beide«, sagte sie und ihr Blick verschleierte sich. »Ich habe einfach das Gefühl, als würde alles zu Ende gehen, als wäre ein Teil von mir gestorben. Weißt du noch, letztes Jahr um diese Zeit? Weißt du noch, worüber wir alles gesprochen haben? Ich habe mir immer wieder das Apartment vorgestellt, in dem wir in der Stadt wohnen würden. Ich dachte, es wäre so unglaublich, einen Beruf zu erlernen und außerhalb der Schulmauern zu leben.«
»Wir haben immer noch Zeit dafür.« Ich ließ den Sand durch meine Finger rieseln, dann nahm ich ihre Hand. Sie zog sie nicht weg. »Du musst mit uns nach Califia kommen. Dort ist es sicherer für dich, für euch beide. Ihr könntet dort so lange bleiben, wie ihr wollt.« Sie schüttelte bereits den Kopf. »Was wollt ihr denn hier machen, nur du und Ruby, auf euch allein gestellt? Ihr könnt nicht für immer hierbleiben – irgendwann gehen euch die Vorräte aus.«
Pip drückte fest meine Hand. »Ich kann nur einfach jetzt noch nicht gehen«, antwortete sie. »Es fühlt sich nicht richtig an. Ich komme hier schon kaum klar – wie soll ich eine ganze Woche unterwegs sein?«
»Wenn wir die Pferde nehmen, sind es nur ein paar Tage. Du müsstest nicht einmal laufen«, entgegnete ich.
Pip zog ihre Hand aus meiner und legte sie stattdessen auf ihren Bauch. »Was, wenn auf dem Weg nach Califia etwas passiert? Ich würde lieber hierbleiben. Mir ist egal, wie groß das Risiko ist. Es ist zu spät, jetzt noch aufzubrechen – ich bin fast im siebten Monat.«
Hinter mir hörte ich Steine knirschen. Beatrice kam mit einem Arm voller Kleider über den Strand. Sie ließ sie hinter Clara auf den Boden fallen und krempelte die Hosen hoch. Während sie ins Wasser watete, beobachtete sie uns, wobei sie Pip aufmerksam musterte, die sich immer noch die Augen wischte. »Wie viele Pferde sind noch da?«, fragte ich.
»Vielleicht sechs oder sieben«, antwortete Pip. »Mindestens die Hälfte haben sie mitgenommen. Die anderen, die durchgekommen sind, hatten ebenfalls Vorräte. Jemand hatte sogar einen Jeep der Regierung gestohlen.«
»Vier Tage«, versuchte ich es erneut. »Das ist alles. Kannst du es nicht wenigstens versuchen?«
»Ich habe einfach nicht die Kraft dafür.« Ihr Kinn zitterte leicht, so wie es das immer tat, wenn sie versuchte, nicht zu weinen. »Ich verstehe aber, wenn du gehen musst.«
Ich sah auf den See hinaus, auf seine stille, gläserne Oberfläche. In Califia wären wir sicherer. Die Mädchen konnten anfangen, sich dauerhaft niederzulassen und sich ein Zuhause unter den restlichen Flüchtlingen einzurichten. Aber wie konnten wir Ruby und Pip hier zurücklassen? Auch wenn ich es nicht akzeptieren wollte, wusste ich doch, dass eine solche Reise für Pip viel gefährlicher war als für mich.
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