Eve - Das brennende Leben
von Ortag hören.
Es war sehr spät, als er ihre Wohnung erreichte. Doch eine Halogenlampe brannte, also nahm er an, dass sie noch wach war. Er klingelte und wartete. Als sie die Tür öffnete, sah er, dass sie in Nachtwäsche gekleidet war – weit, bequem und dünn.
Sie lächelte ihn an. »Schön, dich zu sehen. Komm rein«, sagte sie und ging in die Wohnung. Er folgte ihr.
Sie gingen ins Wohnzimmer. Er setzte sich auf einen Sessel. »Weißt du«, sagte er, »wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen und ich war noch nie in deiner Wohnung.«
Sie gab ihm einen Drink und setzte sich ihm gegenüber aufs Sofa. »Ich bin nicht oft hier«, sagte sie. »Ich versuche, die meiste Zeit draußen zu sein, unter Menschen. Allein zuhause rumsitzen und grübeln bringt nichts.«
Er nickte zustimmend. »Wie ist es, wieder zurück im Kartell zu sein?«
Sie stellte ihren Drink ab und lehnte sich zurück. Ihr Nachthemd betonte ihren Körper. »Es ist … nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, wenn ich ehrlich bin«, sagte sie. »Ich wollte die Schwestern nicht verlassen, aber ich hatte gehofft, dass ich hier etwas finde, das ich vergessen hatte.«
»Was hast du denn gefunden?«
»Es ist immer noch dasselbe, auf Weisen, die ich auch vergessen glaubte. Du weißt, wie das ist, wenn man einen Ort verlässt, den man nur allzu gut kennt. Du erinnerst dich an die
schönen Seiten und die Tiefpunkte. Die schönen Seiten vermisst du, und irgendwann überzeugst du dich selbst, dass du die Tiefpunkte ignorieren kannst. Doch da ist noch all das dazwischen, die kleinen Ärgernisse und diese, diese …«
»Nervtötende Vertrautheit?«, wagte Drem einen Vorstoß.
»Ja! Die Gesichter sind anders, genau wie Teile der Architektur und was weiß ich noch, aber dieser Ort ist so sehr eine Station des Angel-Kartells. Es könnte gar nicht anders hier sein. Spießer tun so, als ob sie eine richtige Nation mit einer Armee sind, dabei ist die nur ein zusammengewürfelter Haufen Krimineller mit einer Hierarchie.«
»Wenigstens versetzt ihr nicht das halbe System in Angst und Schrecken«, sagte Drem und nippte an seinem Drink.
Sie schaute ihn an und sagte dann: »Scheiße. Tut mir leid, Drem. Ich jammere hier jemandem von meiner Vergangenheit vor, der nicht einmal mehr nach Hause kann.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte er und zuckte mit den Schultern.
Sie stand auf, nahm ein Datenpad vom Tisch und gab es ihm. »Sei’s drum. Ich habe dich hergebeten, damit ich dir das hier geben kann.« Sie stand eine Sekunde lang neben ihm, legte ihm dann eine Hand auf die Schulter und seufzte. »Es tut mir echt leid. Du bist gerade durch die Hölle gegangen. Wie kommst du klar?«
»Mir geht’s gut«, sagte Drem und meinte es auch so. Die Ereignisse der letzten Tage waren alle verblasst und wurden von einer angenehmen Ruhe überlagert, die er jetzt, in diesem bequemen Sessel verspürte. In ihrer Nähe.
»Ich war sehr beeindruckt davon, wie du damit umgegangen bist. Wirklich beeindruckt«, sagte sie noch leiser. »Das bin ich immer. Ich war schon so oft da draußen im Einsatz, in Rauch und Feuer, und ich habe noch nie jemanden wie dich gesehen.«
»Danke«, sagte er. Noch bevor ihm bewusst wurde, was er
da tat, hatte er ihre Hand genommen und streichelte sie sanft mit seinem Daumen.
Eine Weile verharrten sie so in der vielsagenden Stille des Raums.
»Willst … du gar nicht die Nachricht lesen?«, fragte sie und nickte in Richtung des Datenpads in seiner Hand.
Er versuchte, unbeteiligt mit den Schultern zu zucken. »Die Nachricht interessiert mich gerade eigentlich nicht.«
»Ich denke, du solltest sie trotzdem lesen«, sagte sie. »Der Kerl, der sie mir geschickt hat, war besorgt, weil er dich nicht erreichen konnte. Sagte, er wollte sicherstellen, dass du sie bekommst, bevor du noch weitere Dummheiten anstellst.«
Drems Gedanken schweiften kurz von ihrem sinnlichen Kurs ab. »Noch weitere Dummheiten?«
»So drückte er sich aus.« Sie schien darüber ebenfalls belustigt zu sein. Er fühlte sich durch die Art, wie sie ihn anschaute – ein wenig distanziert und gleichzeitig mit großer Nähe – angenehm unwirklich, als ob er ein Spielzeug in einem seltsamen Spiel war.
Er zwang sich, hinunter auf das Datenpad zu schauen. Die Nachricht war von Captain Kiel Rhan.
Drem las sie schweigend. Seine Augen weiteten sich erstaunt.
»Irgendetwas Interessantes?«, hörte er Verena fragen.
»Der gewiefte Hund«, murmelte er, halb zu sich selbst.
»Hat er
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