Eve - Das brennende Leben
Moment von festen Wänden umgeben zu sein. Die Straßen bestanden aus durchsichtigem Kunststoff, der mit kratzsicherem Lack überzogen war. Die Gebäude, deren äußere Erscheinung wie Kristall aussah, waren sehr solide aus Ziegeln und Metall erbaut.
Die Kultur hingegen war vollkommen anders.
Heci und Ralea gingen durch die Straßen. Sie sahen alles, was man sich in einer Welt, die alles hatte, vorstellen konnte. Nirgendwo anders gab es weitreichendere Modifikationen an Menschen zu bestaunen als hier; nirgendwo gab es eine höhere Informationsdichte, die überschwänglich aus zahllosen Quellen verbreitet wurden. Auch andere Sinne wurden bestürmt: Eingebettet in die reichhaltige Pflanzenwelt, die jede Straße umgab, waren kleine Abschussrampen. Diese stießen Sporenwölkchen aus, die herumschwebten. Wenn man diese Sporen einatmete, verstärkten sie sanft bestimmte Bedürfnisse und Emotionen, je nachdem, wo sich der Einatmende befand. Ging man an einem Reisebüro vorbei, verspürte man plötzlich Lust auf Abenteuer; bei einem Spaziergang in der Nähe einer Partneragentur, oder eines Geschäfts mit Erwachsenenspielzeug, wurden Drüsen stimuliert, von denen man nicht unbedingt erwartet hätte, dass sie plötzlich voll in Aktion traten. Außerdem halfen die Götter von New Eden jedem, der gerade an einem Schokoladengeschäft vorbeiging.
Selbstverständlich wurden gewisse Sicherheitsgrenzen strikt eingehalten – das Schlüsselwort war »verstärken« nicht »hervorrufen« – und jede Gesellschaft, deren Werbungsangriffe so intensiv wurden, dass die Bevölkerung Schwierigkeiten bekam, damit umzugehen, fand sich schnell eine Etage tiefer wieder. Dort war das natürliche Licht ein bisschen trüber, die Ansprüche ein wenig geringer und die Konkurrenz dafür umso halsabschneiderischer.
Heci ließ zu, dass ihr Weg sie zu den etwas zwielichtigeren Bereichen des Stockwerks führte. Hier oben gab es nichts Baufälliges oder Gefährliches, aber das Heruntergekommene war deutlich sichtbar und lag auf einigen Gebäuden wie eine fettige Patina. Die Lichter hatten einen rötlicheren Schein und die Emotionssporen konzentrierten sich mehr auf einen ganz bestimmten Aspekt.
Sie hielten in der Nähe eines Geschäfts an. Die voluminösen Werbespots dieses Geschäfts drehten sich langsam, wie glitzernde Eiskreise um das Gebäude und versprachen Unterhaltung, wie der Betrachter sie noch nie erlebt hatte. Heci las sie aus der Entfernung. »Außerirdische … Cheerleader … schießen Laser durch ihre … hey, wie wäre es damit?«, fragte sie und wandte sich an Ralea.
Ihre Freundin lag halb über der Steuerung ihres Hoverfahrzeuges und war kalkweiß.
»Alles klar, okay, wir gehen jetzt direkt zu unserem Erholungsort«, sagte Heci schnell. »Bist du angeschnallt, Süße?«
Ralea nickte. Dann fiel ihr Kopf wieder nach vorn auf das Armaturenbrett.
Heci gab einen Abschleppbefehl ein. Raleas Hoverfahrzeug reihte sich geräuschlos hinter ihrem ein und war bereit zu folgen. Heci machte sich langsam auf den Weg und behielt ihre Freundin im Blick. Als sie sich in Bewegung setzten, schaute Ralea mit müden Augen hoch und blinzelte in das Sonnenlicht. Sie schien die Bäume zu betrachten, zeigte aber sonst keine Anzeichen von Interesse.
Heci versuchte, sich wegen des Abstechers nicht mies zu fühlen. Sie hatte Ralea zu sehr unter Druck gesetzt und sie auf die Probe gestellt, obwohl die Zeit noch nicht reif dafür war. Es war so einfach, das, was sie gerade durchgemacht hatten, zu vergessen. Sie war in eine Falle gestolpert und hatte geglaubt, dass sie wieder so wie früher lebendig und aktiv waren; mächtig und unbescholten vor den Augen des Gesetzes. Die alte Ralea hätte gebrüllt vor Lachen bei dem Gedanken an außerirdische Cheerleader und hätte sehen wollen, wo sie ihre Laser versteckten.
Gleichzeitig machte es Heci Angst, dass Ralea ihr Schicksal in ihre Hände gelegt hatte. Wenn Heci ehrlich war, hatte sie keineswegs das Gefühl, irgendetwas unter Kontrolle zu haben.
Im Laufe der nächsten Wochen lernten die beiden Agentinnen ein bemerkenswertes Aufgebot wissenschaftlicher Ausrüstungen und Abläufe kennen. Zum Teil wirkten sie geradezu magisch. Alles zielte mit lasergenauer Präzision darauf ab, sie in möglichst gesunde Menschen zu verwandeln.
Heci hatte erwartet, dass das Programm großen Wert auf Entwöhnung legte. Sie war erstaunt, als die Anfangsphasen sich ausschließlich mit Anti-Aging befassten. Der Grund dafür, so
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