Everlasting
unwahrscheinlich?», hakte Renko vorsichtig nach.
«Allerdings! Sie war erst dreizehn.»
«Die Kids im einundzwanzigsten Jahrhundert waren ziemlich ausgebufft. Die wurden nicht so gut behütet wie heute und –»
«Das ist doch absurd!», fuhr Finn ihn an. «Und außerdem, eine Droge kann ja wohl kaum ein ‹Sammlerstück› werden!»
Renko machte große Augen. «Deswegen musst du doch nicht gleich laut werden. Du hast diesem Bibliothekar nicht gesagt, dass es um ein ‹Sammlerstück› geht.»
Finn konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal dermaßen aufgebracht gewesen war. Was trieb ihn dazu, das Mädchen so in Schutz zu nehmen? Was auch immer, seinen Unmut durfte er nicht an seinem Freund auslassen. Er versuchte, sich zusammenzureißen. «Tschuldige. Doc-Doc möchte möglichst schnell einen Bericht sehen. Das geht ein bisschen an die Nerven.»
«Lass dich von ihm nicht so unter Druck setzen. Du hast ganz schön was durchgemacht in letzter Zeit.»
Finn nickte. «Entschuldigung noch mal.»
Sobald Renko weg war, ging Finn zu seinem Schreibtisch zurück und schlug das Tagebuch auf. – Ach Mensch! Er hat etwas vergessen! Er sprang hoch und riss die Tür auf. «Renko?»
Sein Freund, der schon am Ende des Ganges war, wirbelte herum. «Ja?»
«Barbie?», fragte er. «Hast du eine Ahnung, wer oder was Barbie ist? Oder Ken?»
6 Everlasting
Finn lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfende seines Bettes und feilte an der Übersetzung. Er arbeitete gern, wenn alle schliefen, er mochte die samtige Stille. Aber irgendwer war schon wach, denn ein Plinkblink erschien vor seinem digitalen inneren Auge: Öffne! Dies! Jetzt!
Finn öffnete die Nachricht.
«Breaking news!»
, meldete sich Renko. Sein Haar war ungekämmt, und ein dampfendes Glas stand neben ihm. Anscheinend war er eben erst aufgestanden. «Ein Kollege in Johannesburg hat den Namen Alexander Landuris gefunden. Und zwar in Unterlagen, die noch nicht katalogisiert sind.»
Diesen Unterlagen zufolge war der arbeitslose Systemtechniker Landuris, geboren am 27. Juli 1989 in Berlin, Deutschland, am 17. April 2020 an der Grenze zwischen Südafrika und Namibia aufgegriffen und festgenommen worden. Kurz darauf wurde ihm die Einreise nach Südafrika erlaubt, wo sich seine Spur verlor.
War das derselbe Alexander Landuris, der E an ihrem 13. Geburtstag eine Kopfnuss verpasst hatte? Im Jahr 2003 wäre er vierzehn gewesen, er konnte es also durchaus gewesen sein. Und offenbar war er Berliner. Ließ sich daraus schließen, dass auch E aus Berlin stammte? Wahrscheinlich. Das war eine sehr gute Neuigkeit.
Finn schickte ein Signal an seine Zimmerkamera, die sich sogleich auf ihn richtete und ihn heranzoomte, dann stupste er Renkos BB an, und prompt erschien Renko auf Finns B B-Raster – immer noch ungekämmt. «Danke!», begrüßte Finn seinen Freund.
«Gern geschehen. – Übrigens: noch mehr
breaking news
! Du sollst der Erste sein, der das weiß. Dieser Mann hat ein nettes Mädchen kennengelernt. Im Swuttle. Oben im Großraum. Gao Dongsheng-Johnson. Wunderbar. Studiert Meerestechnik an der EU Copenhagen. Am Samstag treffen wir uns. Im Blue Lagoon. Zum Mittagessen.»
«Du fährst zum Mittagessen nach Island?»
«Geht nicht anders. Sie arbeitet dort an irgendeinem Küstenprojekt mit. Aber vielleicht übernachtet dieser Besucher ja dort», flötete Renko unschuldig.
«Na dann pass gut auf dein Auge auf. Die isländische Sonne kann ganz schön brennen.
Sjáumst!
»
«Hä?»
«Auf Wiedersehen – auf Isländisch.»
Als Finn auflegte, hörte er das leise Plätschern des Wassers im Gemeinschaftsduschraum nebenan. Rouge wahrscheinlich. Da fiel sein Blick auf die hölzerne Werkzeugkiste seiner Mutter, die auf dem Boden neben der Tür zum Duschraum stand. Ursprünglich hatte er sie in dem Haus auf Fire Island lassen wollen, hatte sich dann aber einfach nicht von ihr trennen können. Lulus Teddy hockte darauf, Mannus Moon Zoomer lag gleich daneben, und der Slapback-Schläger seines Vaters stand an die Wand gelehnt. Das Ensemble erinnerte an diese eigenartigen Kunstinstallationen im Museum der Europäischen Kulturen.
Der Teddy war einer von der altmodischen Sorte, dieweder reden, gehen, singen noch denken konnte. Zuerst hatte er Mannu gehört, dann Finn und schließlich Lulu. Und davor hatte er ihrer Mutter gehört. Er sah ein bisschen lädiert aus, aber sein Fell war noch immer flauschig. Ob Finn eines Tages Kinder haben würde, an die er ihn
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