Everlasting
betrieben die Menschen inzwischen Bergbau auf dem Mars, konnten menschliche Erinnerungen herunterladen und wieder aufspielen, klonten Menschen, was das Zeug hielt, erweckten mit neuen Herzen und Gliedmaßen und Organen die Toten praktisch wieder zum Leben – aber sie schafften es immer noch nicht, Renkos rechten Augapfel zu erneuern. Es war verrückt. Immerhin verlieh die Retrosonnenbrille aus Schildpatt Renko eine charmant geheimnisvolle Aura.
«Mit der Brille siehst du aus wie ein Star aus einem Hollywood-Zelluloid», sagte Finn.
«Du siehst auch aus wie ein Star, Stoppelbacke.»
Ein Plinkblink erschien auf Finns Raster. Er öffnete das Dokument. Ein attraktiver, sonnengebräunter Mann mit dunklen Augen, extrem kurz geschnittenen, grau melierten Haaren und Bartschatten schritt durch eine von diesen alten Spielhöllen, ein Kasino in Las Vegas. «Wer ist das?», fragte Finn.
«Könntest du sein, oder? Die haben neulich in den Katakomben Fragmente eines alten Zelluloids mit diesem Burschen da gefunden. Den Namen des Schauspielers kennen wir nicht. Aber die Figur heißt Ocean.»
Finn schnaubte. «Dieser PA hat keine grauen Haare!»
«Wirst du aber haben in zwanzig Jahren, wenn du nicht anfängst, sie ordentlich zu behandeln.»
Renko hatte natürlich recht. Normalerweise gingen sie gemeinsam zu ihren Haarbehandlungen, aber nach dem Unfall seiner Familie hatte Finn ein paar Termine nicht wahrgenommen. Beim letzten Mal hatten sie sich auch einen «Dauerschatten» machen lassen. Das Verfahren nannte sich «Bestoppeln» und war für Männer entwickelt worden, die den haarlosen NudeDude-Look satt hatten und sich eine dezente Gesichtsbehaarung wünschten, ohne sich mit der täglichen Pflege auseinandersetzen zu müssen. Renko hatte Finn dazu überredet, und Finn war mit dem Ergebnis zufrieden.
Renko kniff die Augen zusammen und inspizierte Finns Kinn. «Du solltest wirklich etwas gegen dieses einzelne borstige Haar da tun.» Er hob einen Finger an Finns Kinn und wackelte an einem Haar, das aus dem Schatten wuchs. «Schon mal versucht, es abzuschneiden?»
Finn nickte. «Es wächst gleich wieder nach.»
«Du kannst es reklamieren.»
«Ach nee. Das ist bloß eine kleine Unvollkommenheit»,sagte Finn. «Nun sprich, was ist die Schönheit ohne Makel?»
«Goethe?»
«Nordstrom. Jedenfalls», er tippte sich an den Kopf, um auf das Zelluloidbild zurückzukommen, «wo soll denn da die Ähnlichkeit sein?»
«Frag mal Rouge.» Finn war irritiert. «Sie ist unterwegs.»
«Ach ja? Wohin denn diesmal?»
Er zuckte die Achseln. «Sie kommt und geht.»
«Wenn du ihr mehr Aufmerksamkeit schenken würdest, wäre sie vielleicht nicht ständig auf Achse.»
«Fang du nicht auch noch damit an! Doc-Doc hat sich schon nach ihr erkundigt. Steckt ihr beide unter einer Decke?»
«Es wird Zeit, Finn», sagte Renko ernsthaft. «Oder? Und sie mag dich, das ist offensichtlich.»
Finn verdrehte die Augen.
«Stell dir nur mal vor! Ihr Gehirnvolumen und dein Körper! Was für prächtige Kinder!» Renko stieß Finn anzüglich mit der Hüfte an. Finn schob ihn lachend weg, und Renko ließ sich in einen Sessel fallen. «
Breaking news!
Die Quants haben die Katakomben geplündert. Das OZI hat alles von Sterneborgs
QuantenQuarks
bis zu einer Tru-Copy des Quelle-Katalogs von 1992 abgegriffen.»
«Was um alles in der Welt wollen die Physiker mit einem Versandhauskatalog?», fragte Finn verblüfft.
«Keine Ahnung. Und jetzt
breaking news,
Nummer zwei
:
Dieser Bibliothekar ist zum Chefkurator der Unterabteilung Coffee-Table-Books ernannt worden.»
«Du und die Luxusbildbände! Perfekt! Die Stelle hat sich schon immer nach dir gesehnt.»
Die Sonne war jetzt durch die Wolken gestoßen und schien durch das Fenster direkt auf Renkos Brillengläser. Er drehte sich vom Fenster weg, und Finn setzte sich ihm gegenüber. «Wie läuft’s mit dem Auge?»
«Ist noch immer ein bisschen empfindlich, aber die Sehkraft ist fast vollkommen wiederhergestellt. Hauptsache, der BB hat es nicht abgestoßen. Nur Mutter ist nicht zufrieden. Sie findet, die Augen passen nicht zusammen.» Renko beugte sich zu Finn vor und nahm die Brille ab. «Was meinst du?» Er streckte die Zunge raus und machte Glupschaugen wie ein kleiner Junge.
Finn nahm Renkos neuen blauen Augapfel ins Visier. «Hm. Interessant. Du hast dir ein gelbes Auge einsetzen lassen?»
«Was?», schrie Renko erschrocken auf, aber dann merkte er, dass Finn ihn nur veralbert hatte. Er boxte ihn gegen den
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