Everlasting
wahrzunehmen, aber das machte nichts.
Er trat hinter sie. Rouge stand neben ihm.
Die Frau spürte ihre Nähe und drehte sich beiläufig um.
Sie war etwa fünfzig, zumindest nahm er an, dass Fünfzigjährige 2004 so aussahen. Sie hatte schöne braune Augen, ihr braunes Haar war glatt und zu einem Bubikopf geschnitten. Sie trug ein dickes schwarzes Wollcape, das von einer großen silbernen Brosche gehalten wurde, einen schwarzen Wollrock und schwarze Stiefel. Über der Schulter hing eine große schwarze Ledertasche. Sie hielt ein Buch in der Hand. Ihre Fingernägel waren, wie er bemerkte, lang und gepflegt. Sie lächelte ihn an. «Keine besonders große Auswahl, was?», sagte sie. «Aber ich denke, sie erweitern sie, wenn mehr Leute englische Bücher kaufen wollen. Der Laden ist ja erst vor zwei Wochen eröffnet worden.»
Finn hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Er nickte bloß und atmete den Duft von Everlasting ein, der an ihrem Cape haftete. Ja. Eindeutig Everlasting.
Die Frau wandte sich wieder dem Regal zu und überflog die Bücher. Finn tat es ihr gleich. Dann schüttelte die Frau den Kopf und seufzte: «Wie langweilig! Bloß Thriller, Frauenunterhaltung und ein paar Klassiker. Na, wenigstens habe ich das hier gefunden. Ich hab’s noch nie gelesen. Kennen Sie es?» Sie zeigte ihnen das Buch in ihrer Hand: «
Huckleberry Finn
.»
«Ja», nickte Finn, froh, ihre Frage bejahen zu können. «Ja! Es ist diesem Leser sehr wohl vertraut.»
Sie sah ihn aufmerksam an. Ihre Augen wurden schmal, aber ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen.
Oje. Er hatte wieder in der dritten Person von sich gesprochen. «Ja», sagte er verlegen und wütend auf sich selbst. «Ich habe es gelesen. Vor vielen Jahren, aber ich –»
«Mama! Da steckst du!», rief eine Stimme.
Es war eine junge Stimme.
Eine reizende Stimme.
Es war die Stimme eines Teenagers. Eines Mädchens.
«Also wirklich, Mama!», sagte die Stimme. «Wir haben schon überall nach dir gesucht.»
Dann drehte er sich um.
Und da war sie.
Sie war schlank, weder groß noch klein. Ihr langes, schimmerndes blondes Haar war zu einem dicken, krausen Pferdeschwanz gebunden, ein paar lockige Strähnchen hatten sich gelöst und umspielten Stirn und Wangen.
Sie
trug das Parfüm. Sie war die Quelle des Duftes. Natürlich.
«Psst!», sagte die Frau. «Nicht so laut.»
«Das ist hier keine Bibliothek», entgegnete das Mädchen sachlich.
Ein zweites Mädchen tauchte auf. Sie war jünger, unverkennbar die Schwester der älteren, ebenfalls hübsch. «Elli!», rief die Jüngere. «Ich hab sie. Ich hab sie gefunden. Hier!» Sie hielt zwei DVDs hoch.
Elli. Sie hatte sie Elli genannt. Tatsächlich, sie
war
es. Das war Eliana – oder besser gesagt: seine
Vision
von Eliana in diesem Spiel.
«Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst mich nicht Elli nennen!», wies die Ältere sie zurecht. «Ich mag das nicht.»
«’Tschuldigung, Elli», sagte die Jüngere. Dann verdrehte sie theatralisch die Augen. «Ups.»
Die Ältere gab ihr einen Klaps auf den Kopf und begleitete die Geste mit einem «
Boing!
». Offensichtlich war sie nicht verärgert.
Das jüngere Mädchen kicherte.
«Gute Arbeit, Sherlock», sagte Eliana mit Blick auf die beiden DVDs.
«Darf ich mal?», sagte die Frau und nahm sie in die Hand.
«Okay?», fragte die Jüngere.
«Hat Robert sich die gewünscht?», fragte die Mutter.
Robert, dachte Finn. Der große Bruder.
«Ja klar!», sagte die Kleine.
«Und was hast du da?», fragte die Frau neugierig. Eliana hielt ein Buch in der Hand. Es war dick und hatte einen Stoffeinband mit unterschiedlich breiten Querstreifen in kräftigen Farben, türkis und pink, gelb, orange, grün.
«Ach nix», sagte Eliana mit einem Achselzucken und nahm das Buch in die andere Hand, weg von den forschenden Augen der Mutter.
«Na denn, auf zur Kasse.» Die Frau wandte sich zu Finn und Rouge um – sie hatte sie nicht vergessen. «Ciao», sagte sie und wandte sich um.
Eliana nahm Finn jetzt erst zur Kenntnis und sah zu ihm hoch. Ihre Augen – intensiv und dunkel – glitten über sein Gesicht. Finn stand da wie gelähmt. Es war überraschend, jemanden mit so leuchtend hellem Haar und so schwarzen Augen zu sehen.
«Eliana? Kommst du? Wir gehen nach oben ins Café», sagte ihre Mutter. Sie legte Eliana eine Hand auf die Schulter, um sie in die richtige Richtung zu bugsieren, wobei sie Finn einen Blick zuwarf: meine-Tochter-die-Träumerin.
Und dann waren sie außer
Weitere Kostenlose Bücher