Everlasting
Hörweite.
Finn merkte, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
«Das war aber ziemlich heftig», bemerkte Rouge.
«Glaubst du mir jetzt?», sagte er.
Finn konnte sich nicht mehr auf die Bücher konzentrieren. Ein paar Minuten lang tat er so, als stöberte er herum, gab es aber schließlich auf. «Wir könnten doch nach oben gehen und auch etwas trinken», sagte er. «Dieser Mitspieler ist neugierig, ob er ein weiteres Treffen mit ihnen erfinden wird.»
«Dito», sagte Rouge.
Sie fuhren mit der Rolltreppe nach oben zum Café.
«Sollen wir Professor Grossmann von deinem Verdacht erzählen?», überlegte Rouge laut. «Vielleicht ist ja was dran.»
«Auf jeden Fall. Es ist schließlich unsere Aufgabe, ihnen zu erzählen, wie wir das Spiel erleben.»
Die Tische vorn im Café waren alle besetzt, aber die Frau und ihre Töchter waren nirgends zu sehen. In dem Bereich hinter der Theke standen noch mehr Tische, aber der Getränkekühler und die Caféregale versperrten den Blick darauf. Finn hatte Glück, dort saßen sie.
Finn und Rouge nahmen an dem einzigen unbesetzten Tisch neben dem der Frau und ihren beiden Töchtern Platz.
«So sieht man sich wieder», sagte die Frau. «Haben Sie etwas Interessantes gefunden?»
«Leider nein», sagte Finn.
«Frauenunterhaltung ist wohl nicht so Ihr Ding?»
Sie hat eine sympathische Art, dachte Finn.
«Ach, Mama», sagte das ältere Mädchen, «du bist so ein Snob!»
«Eliana!», rief die Mutter tadelnd und warf Finn und Rouge wieder so einen Meine-Tochter-Blick zu. «Wo sind deine Manieren?»
«Da unten bei der Frauenunterhaltung», sagte sie und sah Finn an. «Wenn ein Buch nicht mindestens zweihundert Jahre alt ist, hat es bei meiner Mutter keine Chance. Was natürlich nicht heißt, dass man keine Klassiker lesen sollte.»
«Natürlich nicht», sagte er. Diese junge Dame, die er da erfunden hatte, war wirklich sehr charmant.
Ihre jüngere Schwester hatte gerade ihren Milchshake ausgetrunken und machte jetzt mit dem Strohhalm Schlürfgeräusche auf dem Glasboden.
«Madeline!», sagte die Mutter.
Die Kleine hörte auf zu schlürfen und sah zu Finn hoch. «Ich lese gerade ‹Harry Potter›», sagte sie. «Das ist doch ein Klassiker, oder?»
«Es wird einer werden», sagte er. «Garantiert. Da bin ich mir ganz sicher.»
Rouge versetzte Finn unter dem Tisch einen Tritt.
«Was haben
Sie
denn zuletzt gelesen?», fragte Madeline.
«‹Stolz und Vorurteil›», sagte Finn.
«Echt?», sagte Eliana, und ihre Augen wurden ganz rund. «Das lese ich auch gerade!»
«Ich weiß», sagte er. «Ich weiß.»
Plötzlich war es ganz still. Alle vier starrten ihn an.
O-oh, dachte Finn. Diesmal war er zu weit gegangen. Es war ein Fehler, so viel zu verraten. Er machte schnell die Augen zu und wartete darauf, wieder zum Startpunkt von Level 2 katapultiert zu werden. …
Er öffnete die Augen wieder. … Sie saßen alle noch genau so da und starrten ihn an, warteten darauf, dass er etwas sagte.
«Natürlich weiß ich das», erklärte er. «Alle gebildeten Mädchen in deinem Alter lesen Jane Austen.»
«Genau», sagte die Mutter.
Puh. Es hatte geklappt.
Eliana griff über den Tisch nach dem Caffè Latte ihrer Mutter und nahm einen kleinen Schluck davon. «Mm.»
«Eliana», rügte die Mutter. «Das hemmt dein Wachstum.»
«Sie haben ja Kaugummi», sagte Madeline zu Finn und zeigte auf seine Brusttasche.
«Ach so, ja», sagte er. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht und zog das Päckchen heraus. «Möchtest du?» Er hielt es ihr hin.
Madeline wollte es nehmen.
«Madeline!», sagte die Mutter. «Nicht die ganze Packung.»
Die Kleine blickte beschämt. «Nur ein Stück vielleicht, danke», sagte sie, ganz die wohlerzogene Tochter.
«Du auch?», fragte Finn Eliana.
«Ja, danke», sagte sie und nahm eins.
Er schaute die Mutter fragend an.
«Um Gottes willen, nein», sagte sie.
«Ich aber», sagte Finn und kam sich richtig mutig vor.
Er sah zu, wie die Mädchen auf den rosa Rechtecken herumkauten und dann Blasen machten.
Der Kaugummi schmeckte säuerlich und süß zugleich. Viel zu süß. Und es fühlte sich an, als kaute er auf einem dieser Radierer aus der Werkzeugkiste seiner Mutter herum.
Eliana kicherte. «Voll sauer, was?»
«In der Tat», sagte er, aber mit dem klebrigen Zeugs im Mund kamen die Wörter etwas nuschelig heraus. Er versuchte, eine Blase zu machen, scheiterte aber kläglich. «Wie geht das mit den Blasen?», fragte
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