Everlasting
ruhig die Schuld zuschieben.» Er grinste.
«Und was bitte hat das Tagebuch mit Ihrem Projekt zu tun?», hakte Finn nach.
Professor Grossmann musterte ihn eindringlich. «Auf diese Frage haben wir gewartet.» Er seufzte schwer. «Mr. Nordstrom, wir möchten jetzt völlig ehrlich mit Ihnen sein. Tatsächlich ist ‹Projekt Zeit› ein heikles Unternehmen.»
Die Nacht hatte sich über die Insel gesenkt. Es war, als wäre jeder Stern – und es waren Abermillionen – eine Antwort auf seine Frage: Was nun?
Vielleicht sollte er zu den Forestern nach SternwoodForest gehen. Aber wenn, dann müsste er das aus voller Überzeugung machen. Die Forester waren, was Konvertierte betraf, ziemlich skeptisch. Falls Finn sich entschied, bei ihnen zu bleiben, müsste er sein vorheriges Leben aufgeben. Bücher genug würde er haben, und eine Holzhütte, einen offenen Kamin, einen Computer und auch ein tragbares Kommunikationsgerät, also ein Handy, aber er wäre mehr oder weniger von all seinen Freunden und Bekannten abgeschnitten, und von allem, womit er aufgewachsen war, zum Beispiel von diesem Haus, in dem der Geist seiner Familie weiterlebte, und von der Insel, die er so liebte. Und eignete er sich überhaupt als Holzfäller? Oder Verkäufer in einer Forester-Boutique?
Zu viele Fragen. Zu viele Antworten. Zu viele Sterne.
Finn stand auf und ging Richtung Haus.
«Ja, das Ganze ist ganz schön heikel», sagte Professor Grossmann. «Ganz schön riskant.» Er stand auf und streifte sein Jackett ab. Man konnte die nassen Schweißflecken unter seinen Armen sehen. Er nahm wieder Platz und wischte sich mit dem Taschentuch über den Nacken.
Finn ließ das Fenster einen Spalt aufgleiten, und kühle Luft strömte herein. Draußen setzte ein Citygleiter auf dem Landeplatz vor der Bibliothek auf. Ein Dutzend Passagiere stiegen aus. Sie unterhielten sich laut auf Italienisch.
«Aha», sagte Dr. Dr. Rirkrit Sriwanichpoom. «Unsere Gäste von der Europäischen Bibliothek Bologna. Können wir diese Besprechung zum Abschluss bringen? Dieser Direktor hat Verpflichtungen.»
«Warum ist es riskant?», fragte Finn. «Weil wir den Lauf der Ereignisse verändern, wenn wir in die Vergangenheit reisen?»
Sriwanichpoom schnaubte. «Machen Sie sich nicht lächerlich, Junge! Solch einen Unfug konnten sich nur die alten Science-Fiction-Autoren ausdenken!»
Rouge seufzte.
«Mr. Nordstrom», sagte der Professor freundlich, «das war ein früher weitverbreiteter Mythos. Heute wissen wir, dass es physikalische Gesetze gibt, die unsere Vergangenheit schützen. Wir können sie nicht verändern. Ganz gleich, was wir tun, irgendetwas hält uns immer davon ab, schon Geschehenes abzuändern. Es mag vorübergehend so aussehen, als wäre etwas verändert worden, aber unsere gute alte Erde bringt alles wieder auf die richtige Bahn. Selbst wenn wir mit der Absicht in unsere Vergangenheit reisen, dies oder jenes zu verändern, lassen die Gesetze der modernen Physik das einfach nicht zu.»
«Dann werden wir also», sagte Finn, «wenn wir in die Vergangenheit reisen und dort interagieren, lediglich Teil dieser Vergangenheit?»
«Ausgezeichnet», sagte der Professor. «Sehr richtig. Dieser Professor hätte es selbst nicht besser ausdrücken können.»
«Darauf sollten wir trinken», sagte Sriwanichpoom und griff nach seinem Glas.
«Aber was wäre zum Beispiel», sagte Finn, dessen Neugier größer war als sein Durst, «wenn wir, als wir im Berlin des Jahres 2004 unterwegs waren, Leuten erzählt hätten, dass wir aus der Zukunft kommen? Das hätte doch deren
Sicht
der Dinge verändert, oder?»
«Keine Frage!», sagte Sriwanichpoom und stellte sein Glas wieder hin. «Die hätten Sie für verrückt gehalten! Und falls irgendwer Ihnen tatsächlich geglaubt hätte, dann hätten die anderen auch
ihn
für verrückt gehalten.»
Rouge und Grossmann lächelten schwach über den Versuch des Direktors, humorvoll zu sein.
«Aber», sagte Finn, bemüht, alles ganz logisch zu Ende zu denken, «falls jemand aus unserer Zukunft, sagen wir aus dem Jahr 3000, jetzt eine Zeitreise ins Hier und Jetzt machen würde, ins Berlin vom 1. Januar 2265, und falls derjenige sagen würde, er käme aus der Zukunft, würden wir diese Person dann ebenfalls für verrückt halten?»
«Mr. Nordstrom», sagte der Professor und rang sich ein müdes Lächeln ab, «wir wissen Ihren Beitrag zu diesem faszinierenden Thema zu schätzen. Falls Sie sich auch weiterhin für die
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