Everlasting
Qualifikationen. Und man machte uns auf Sie, Mr. Nordstrom, aufmerksam.»
«Wieso? Was sind das für Qualifikationen?»
Jetzt öffnete der Professor seinen obersten Kragenknopf. Ja, er war eindeutig nervös. «Unser Untersuchungsgebiet ist Berlin und Norddeutschland in den Jahren unmittelbar vor Beginn des Zeitalters des Dark Winter. Deutschland zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist ein durchaus faszinierendes Thema für die Forschung, auf historischer, archäologischer, kultureller sowie natürlich auf naturwissenschaftlicher Ebene. Aber wie Sie sehr wohl wissen, ist es leider nicht mehr en vogue. Nur wenige Forscher befassen sich heutzutage noch mit diesem Themengebiet. Sie, Mr. Nordstrom, zählen zu der Handvoll von Akademikern, die nicht nur die Kultur jener Zeit, sondern noch dazu die Sprache beherrschen. Das war für unser Projekt von entscheidender Bedeutung.»
«Was ist mit Dr. Beyer drüben in Stralsund?»
«Ein ausgezeichneter Mann», sagte Dr. Dr. Sriwanichpoom. «Aber leider war Jugend eine Grundvoraussetzung für dieses Projekt. Wir brauchten jemanden aus der Prä-Adult-Altersgruppe.»
«Warum nicht Rina Stehn oder Chrissi Nowman drüben in Hamburg?», schlug Finn vor.
«Reizende Damen!», sagte der Bibliotheksdirektor. «Aber das hier ist eindeutig ein Job für einen Mann.»
«Warum nicht Renko Hoogeveen?», fragte Finn.
«Bedauerlicherweise», sagte Sriwanichpoom, «war eine tadellose Gesundheit ebenfalls eine Grundvoraussetzung. Wie bereits in unserem ersten Gespräch über ‹Projekt Zeit› erwähnt, hat Ihr Freund ernsthafte gesundheitliche Probleme.» Er griff erneut nach der Champagnerflasche. «Wollen wir?»
Der Professor nickte, wandte sich dann wieder Finn zu.«Der langen Rede kurzer Sinn: Wir waren der Meinung, dass Sie der Richtige sind.»
Am Strand war es kühler geworden. Finn zog seine Strickjacke enger um sich.
Er könnte doch hierher zurückkehren, nach Fire Island. Er könnte seine Arbeit in Greifswald aufgeben, den Laden seines Vaters an der Rockaway-Küste übernehmen und handgefertigte Holzmöbel aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert an tibetanische Mönche und reiche Witwen verkaufen. Oder er könnte Deutsch in einer Schule unterrichten. In New York oder Boston. Oder in Washington. Die Städte waren alle leicht von Fire Island aus erreichbar. Aber wollte er wirklich unterrichten? Und gab es überhaupt freie Stellen dafür? Von den toten Sprachen war Deutsch nicht die beliebteste. Selbst Latein hatte mehr Anhänger.
Er blickte aufs Meer hinaus.
Was sollte er von all dem halten, was sie ihm in Greifswald aufgetischt hatten?
Es war jetzt Nacht in Greifswald. Draußen vor seinem Bürofenster sah Finn die Stadt unter sich liegen, weiß bestäubt mit Schnee. Er hörte die Stimmen der Partygäste, die die Europäische Bibliothek verließen. Sie sangen ein fröhliches Neujahrslied.
«Ja, Mr. Nordstrom», sagte Professor Grossmann, «wir sind der Meinung, dass Sie der Richtige sind.»
«Wofür?»
«Um unser Projekt zu retten. Keine ganz ungefährliche Aufgabe, wohl wahr, aber ein heroisches Unterfangen.»
«Was für eine absurde Vorstellung», sagte Finn. «Dieser Mann ist kein Held, und er will auch keiner sein.»
«Sie unterschätzen sich», sagte der Professor.
Plopp!
Der Champagner knallte. Er schäumte aus dem grünen Flaschenhals und in ein Glas, das Dr. Dr. Sriwanichpoom bereithielt.
Rouge sprach Finn an. «Wir wissen, das ist nicht leicht für dich. Wie bitten dich nur, uns zu vertrauen.»
Beim Wort «vertrauen» verlor Finn die Geduld. «Vertrauen? Das ist aber ziemlich viel verlangt. Sie haben diesen Mann auf eine unsinnige, aberwitzige Reise in … in … eine öffentlichen Toilette ins Jahr 2003 geschickt!» Seine Stimme bebte. «Und Sie sprechen von
Vertrauen
?»
«Es war nicht unsinnig», sagte Grossmann.
«Aber sehr wohl eine öffentliche Toilette.»
Rouge, Grossmann und Sriwanichpoom lachten. Grossmann lachte sogar so herzhaft, dass sein Bolotie hin und her schaukelte.
«Es mangelt Ihnen nicht an Humor, junger Mann», sagte Sriwanichpoom. «Ganz gewiss nicht. Und wir können wirklich jemanden mit Humor gebrauchen.»
«Finn, du siehst das alles falsch», sagte Rouge ruhig.
Finn wandte sich ihr zu. «Du! Du hast das Leben dieses Freundes aufs Spiel gesetzt. Du hast ihn wie eine Puppe ausstaffiert. Du hast ihm einen Fauxhawk verpasst. Du –»
«Einen was?», fragte Professor Grossmann.
«Du hast
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