Everlasting
Blätter, die sie manchmal im Sternwood Forest am Lagefeuer gerochen hatten, nur pfefferiger und würziger war es … wie ein Spicer.
«Hm?», fragte der Junge, inhalierte den Rauch und hielt ihm dann die Zigarette hin.
Aber Finn lehnte freundlich ab. Besser nicht. Er machte es sich auf der Rückbank bequem und atmete den Shit gelassen passiv ein – genau, wie er es gelernt hatte.
Das Auto bog in eine hübsche, verschlafene Straße in Charlottenburg ein. Es gab hier einen kleinen schattigen Platz mit ein paar Bänken in der Mitte, ein kleines Kino, ein Café, einen Zeitschriftenladen, ein Lebensmittelgeschäft. Finn sah ein Straßenschild: Giesebrechtstraße. Er würde sie cloppen, wenn er wieder zu Hause wäre.
Renko hatte den Namen «Eliana Lorenz» bei Cyclops eingegeben, aber ohne Ergebnis. Er suchte noch immer mit allen Mitteln, aber offenbar war zu viel verlorengegangen. Das musste nicht zwangsläufig heißen, dass Eliana Dark Winter nicht überlebt hatte. Vielleicht hatte sie ihrenNamen geändert, geheiratet oder sich bis ins ferne Shanghai durchgeschlagen. Vielleicht war Gao sogar eine ihrer Nachkommen.
Vielleicht.
Aber wahrscheinlich? Leider nicht.
Die Familie Lorenz lebte im obersten Stock eines gepflegten Hauses aus der Zeit des frühen zwanzigsten Jahrhundert. Es war heiß in der Dachwohnung, vielleicht noch heißer als draußen, aber die beiden Badewannen und der Kühlschrank waren mit einem Vorrat an kalten Getränken gefüllt.
«Es ist so still hier», bemerkte Philipp, als sie die Wohnung betraten, aber Finn fand das angenehm. Fast wie bei einer PA D-Party , nur ohne die Robo-Hilfen.
Philipp führte Finn und Rouge in Roberts Zimmer, wo sich die jungen Leute versammelt hatten – Vettern und Cousinen sowie Freunde der Geschwister. Finn lernte die «Drei Js» kennen, Joya, Johanna und Jill, und zwei Freundinnen von Madeline. Der Anlass war traurig, aber Finn fand es dennoch angenehm, da zu sein, diese jungen Menschen zu erleben, zuzusehen, wie ein antiker Computer hochgefahren wurde, aus einem Glas zu trinken, das tatsächlich auch aus Glas war, und in einem von diesen Drehsesseln aus einem historischen schwedischen Möbelhaus zu sitzen, die in der Dauerausstellung der skandinavischen Abteilung im Museum der Europäischen Kulturen zu sehen waren.
«Finn?»
Es war Eliana. Sie hatte sich die Haare hochgesteckt, aber ein paar Strähnen hatten sich aus der Spange gelöst.
«Kann ich dir was zeigen?», fragte sie. «In Madelines Zimmer.»
Finn sah zu Rouge hinüber. Sie unterhielt sich auf Französisch mit Philipp und Leopold, aber sie fing Finns Blick auf und nickte.
Die Wände in Madelines Zimmer waren mit großen Pferdebildern tapeziert, mit Schauspielern, die Finn aus den Zelluloids kannte, und jungen Männern, die Musikinstrumente spielten. Der Raum war plüschig und unaufgeräumt, sehr pink und unterschied sich sehr von der nüchternen Funktionalität der Kinderzimmer, die Finn kannte.
Eliana ging zum Fenster und schloss die Blümchenvorhänge mit zwei geübten Handgriffen. «Am späten Nachmittag scheint die Sonne genau hier rein», sagte sie. Sie ging zu Madelines Schreibtisch, wo sich Schulhefte und Papiere stapelten, eselsohrige Bücher aufgeschlagen herumlagen und zwei Tassen mit London-Motiven standen. Auf der einen Tasse war ein Beefeater in seiner typischen Uniform zu sehen und auf der anderen der Big Ben (vor dem Wiederaufbau im Jahre 2109, selbstverständlich), und beide waren prallvoll mit allen möglichen Stiften.
«Hier», sagte Eliana, «das wollte ich dir zeigen.» Sie nahm eine kleine Pappschachtel vom Schreibtisch, so winzig, dass sie in ihre Handfläche passte. Sie war geformt wie ein altmodischer Koffer, vielleicht sollte es auch eine Schatztruhe sein. Sie war schwarz und mit zarten, bunten Illustrationen verziert: eine Pferdekutsche, ein Herr mit Zylinder, eine Dame mit Häubchen. «Darin waren einmal Minipralinen», erklärte Eliana. «Aus Wien. Madeline hat die Schachtel behalten. Und dann hat sie das hier reingetan.» Eliana hob den Deckel. Darin lagen zwei Hubba-Bubba-Kaugummis. «Weißt du noch?», fragte sie.
Finn war fassungslos. «Ja, natürlich!»
«Sie hat sie aufgehoben. Und da hineingetan. Irgendwann habe ich sie mal gefragt, warum, und sie hat gesagt: ‹Kann ja sein, dass wir ihn mal wiedersehen, vielleicht dafür.›» Eliana sah zu Finn auf. «Du hast uns damals was versprochen. Weißt du noch? Dass du, wenn wir uns das nächste Mal
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