Everlasting
und/oder menschliche Wesen mit
zurück
in die Zukunft bringen? Können wir in unsere eigene Vergangenheitreisen und unserem jüngeren Selbst begegnen? Was passiert, wenn wir in einer Parallelwelt landen?
Als Antwort auf Finns erste drei Fragen erging Professor Grossmann sich in einer langen und komplizierten Erklärung darüber, wie ein kleines Gerät mit der Bezeichnung FLoW (Fly on the Wall) in die Vergangenheit eingespeist wird, um für eine bestimmte Zeitspanne Interaktionen und Bewegungen aufzuzeichnen und so die Terminierung von Eintritt und Austritt zu ermöglichen. Aber Finn verstand wenig. Wie gut, dass er sich vor acht Jahren dagegen entschieden hatte, Naturwissenschaften oder die neuen Technologien zu studieren.
Finns dritte Reise ins Berlin der Jahrtausendwende war ursprünglich als sechsstündige Exkursion geplant gewesen, doch Rouge, die ihn erneut als Partner begleiten wollte, beantragte eine Verlängerung um zwei Stunden. Sie erklärte dies mit der Notwendigkeit, shoppen gehen zu müssen.
Leider hatte Finn gegenüber Rouge unklugerweise erwähnt, dass Elianas Mutter Kostümbildnerin für die Zelluloids war und dass ihr die Kleidung, die sie an jenem Tag im April 2004 in der Buchhandlung Dusenhuber getragen hatten, als uralte Mode identifiziert hatte. Rouge war ziemlich aufgebracht gewesen, denn sie war nicht nur in ihrer Arbeit Perfektionistin. Sie fühlte sich in ihrer Ehre als moderne, allzeit modebewusste junge Frau verletzt. Sie bestand darauf, auf dieser Reise angemessen und stilvoll gekleidet zu sein.
Zudem bräuchten sie Kommunikationsgeräte, betonte sie. Es würde ein langer Tag werden, und es sei nun mal nicht auszuschließen, dass sie und Finn getrennt würden. Da ihre BBs auf Zeitreisen lahmgelegt waren, hielt sie eineMöglichkeit zur gegenseitigen Kontaktaufnahme für dringend erforderlich, weshalb es unerlässlich sei, sich Mobiltelefone zu besorgen. Das alles würde seine Zeit brauchen, erklärte sie im Antrag. Professor Grossmann genehmigte ihnen die zwei Stunden, wies aber darauf hin, dass die Verlängerung für eine erfahrene Zeitreisende wie Rouge kein Problem darstellen dürfte, dass sie aber für Finn schwer zu verkraften sein könnte und möglicherweise zu starker Erschöpfung, Migräne, Schwindelanfällen und vielleicht noch Schlimmerem führen würde. Finn zuckte die Achseln: Was immer für das Projekt gut war, war auch gut für ihn.
Rouge und Finn kamen pünktlich um zehn Uhr morgens an einem brütend heißen 21. Juni 2005 in Berlin in der City Toilette Kurfürstendamm Ecke Schlüterstraße an. Sie trafen rasche, aber gute Entscheidungen in zwei Boutiquen sowie in einem Schuhgeschäft und zogen sich ihre neue Garderobe umgehend an, wurden dann aber leider in dem Mobiltelefonladen aufgehalten. Dank Jil Sander und Hugo Boss vermutete der ehrgeizige Mobiltelefonverkäufer in ihnen reiche und naive russische Touristen. Er versuchte, ihnen jeweils 600 Euro teure Smartphones anzudrehen, beide mit Zweijahresvertrag. Er erläuterte ihnen lang und breit verschiedene Telefonfunktionen und eine Vielzahl von Vertragsformen (komplizierter als die Physik des Zeitreisens, fand Finn), bis ein entnervter Kunde, der auch endlich bedient werden wollte, sie schließlich anflehte, doch bitte einfach um die Ecke zu der Filiale eines Kaffeeherstellers zu gehen, wo sie ein Prepaidhandy praktisch für umsonst bekämen. Wieso ein Kaffeehersteller Mobiltelefone verkaufte, war Finn schleierhaft, aber siewaren überaus zufrieden mit ihren tragbaren Neuerwerbungen und mit der Tasse kolumbianischem Kaffee, die sie sich zur Stärkung gönnten.
Obwohl Finn die Fußstrecke zum Bahnhof Zoo zuvor gecloppt hatte, kamen sie nur langsam voran. Die Sonne brannte auf sie herab, in den neuen Schuhen bekamen sie Blasen, und sie mussten zweimal einen Stopp einlegen, um sich eine Flasche Wasser zu besorgen. Als sie ihre Zeitreise-Kleidung endlich in einem Schließfach verstaut und sich jeder einen Salat-to-go gekauft hatten, waren sie schon ziemlich spät dran. Auf der holperigen Fahrt in der S-Bahn Richtung Wannsee aßen sie ihren Lunch und richteten ihre Mobiltelefone ein, deren primitive Technologie sie restlos erstaunte. Vor dem Bahnhof Wannsee fanden sie problemlos ein Taxi und fuhren damit zum Friedhof in Stahnsdorf. Leider trafen sie mit 45 Minuten Verspätung ein. Das war nicht zu ändern. Zum Glück erwartete sie niemand. Was Finn anging, so hatte er vor, lediglich eine Fliege an der Wand zu
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