Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
Sonst kann mich niemand dafür verantwortlich machen, was mit Ihnen geschieht, ganz egal, wie alt Sie angeblich auch sind.«
Falls er erwartet hat, dass sie nun klein beigibt oder vor Angst davonläuft, tja, dann ist er sicher genauso überrascht wie ich, dass sie stattdessen zu lächeln beginnt. Wir sehen zu, wie sich ihre Miene aufhellt, ihre Wangen breit werden und ihre Lippen sich öffnen und ein erstaunliches Zahnsortiment enthüllen – erstaunlich insofern, als die
meisten von ihnen entweder grau oder gelb sind oder ganz fehlen.
Sie wendet sich von Damen ab und mir zu und nimmt meine Hand in ihre papiertrockene, während sie in selbstsicherem Tonfall zu sprechen beginnt. »Seine Liebe ist der Schlüssel.«
Ich sehe sie an und befreie mich aus ihrem Griff. »Haben Sie nicht gesagt, Adelina sei der Schlüssel?«
»Das ist ein und dasselbe«, erklärt sie nickend, als wäre das irgendwie logisch. »Bitte. Bitte zieh die Reise in Erwägung. Es ist der einzige Weg, um mich zu erlösen. Und um auch dich zu erlösen.«
»Die Reise zurück – zurück zum Anfang?«, frage ich mit plötzlichem Sarkasmus. »Wo genau beginnt diese Reise? Und wo endet sie?« Ich sehe sie an und registriere, dass sie nach wie vor von innen zu leuchten scheint.
»Die Reise beginnt hier.«
Sie zeigt auf unsere Füße oder vielleicht auf den Matsch, da bin ich mir nicht ganz sicher. Mittlerweile bin ich verwirrter als zu Beginn. Doch als sich unsere Blicke wieder begegnen, weiß ich, dass die Anweisung wörtlich gemeint ist – die Reise beginnt mitten in dem Matsch, in dem wir stehen.
»Und sie endet in der Wahrheit.«
Noch ehe ich ein weiteres Wort sagen kann, ehe ich um ein bisschen mehr Klarheit bitten kann, schlingt mir Damen einen Arm um die Taille und zieht mich weg.
Er zischt die Worte nur über die Schulter, ohne sie auch nur noch eines Blickes zu würdigen. »Niemand geht irgendwohin. Und belästigen Sie uns nicht noch einmal.«
NEUN
U nd was hältst du nun davon?« Ava wirft sich die kastanienbraunen Locken über die Schulter und sieht mich aufmerksam an, während sie sich auf einem der alten Plastik-Klappstühle niederlässt, die Jude im Bemühen, uns bei diesem Spontantreffen alle unterzubringen, in sein Büro geschleppt hat. »Was glaubst du, was das alles bedeutet?«
Ich riskiere einen Blick auf Damen, der einen Stuhl abgelehnt hat und nun mit verschränkten Armen an der Wand lehnt, wobei seine Miene Bände spricht: Ich dachte, das hätten wir hinter uns? Ich dachte, ich hätte ihr gesagt, dass sie sich fernhalten soll? Ich dachte, du hättest gesagt, du wolltest nur kurz vorbeischauen, dir ein, zwei Bücher holen und dann wieder gehen?
Ich sende ihm meinerseits eine telepathische Botschaft: Du hast mir eine Woche versprochen, und ich nehme dich beim Wort – es sei denn, du willst mir verraten, was dir die alte Frau gezeigt hat.
Stirnrunzelnd dreht er sich weg, genau wie ich es vermutet habe, und so wende ich mich wieder Ava zu.
»Ich habe keine Ahnung, was es bedeutet«, gestehe ich und bemühe mich nach Kräften, so zu tun, als hätte ich Damen nicht seufzen hören, obwohl er eindeutig wollte, dass ich es höre.
Jude sieht zwischen uns hin und her, mit leicht beklommener Miene, da er richtigerweise spürt, dass es Ärger im
Paradies gibt und er sich um jeden Preis heraushalten will. Dennoch, da er auch zu helfen versprochen hat, nimmt er seinen Platz hinter dem Schreibtisch ein, kippelt mit dem Stuhl zurück und gibt sich gedankenverloren, indem er in die Luft starrt, obwohl er in Wirklichkeit davon träumt, ganz woanders zu sein. Ich tippe schwer auf Sommerland.
»Sie glaubt also, du seist Adelina oder warst früher mal Adelina oder … was auch immer …« Miles tippt mit dem Stift auf die Blätter des ledergebundenen Tagebuchs, das ich ihm geschenkt habe, bevor er nach Florenz gefahren ist, und beginnt sich eifrig Notizen zu machen, um aus dem Ganzen schlau zu werden, während ich ihn aufmerksam betrachte. Sein frischgeschnittenes Haar lässt ihn wieder wesentlich mehr wie den alten Miles wirken, denjenigen, der sich gleich an meinem ersten Schultag mit mir angefreundet hat. Der Babyspeck, den er im Schauspielcamp in Italien abgelegt hat, ist verschwunden und macht aus einem süßen Pummel einen, nun ja, wirklich süßen Typen.
»Ja.« Ich nicke, da ich nach wie vor nicht daran gewöhnt bin, so offen darüber zu sprechen, zumindest nicht mit ihm.
Allerdings weiß er ziemlich gut Bescheid, da er sowohl
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