Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
schließlich, in der Hoffnung, ihn zu überzeugen. »Du und ich sind füreinander bestimmt. Das ist das Einzige, dessen ich mir absolut sicher bin. Und auch wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, was mich erwartet, verspreche ich, dass ich alles Nötige tun werde, um den Weg zurückzufinden. Ehrlich, Damen, nichts kann uns trennen – zumindest nicht für lange. Aber jetzt muss ich gehen. Und ich muss allein gehen, daran hat Lotos keinen Zweifel gelassen. Also lass mich das bitte, bitte tun, nur damit ich sehen kann, wohin es führt. Ich finde keine Ruhe, ehe ich es nicht versucht habe. Und auch wenn ich weiß, dass es viel verlangt ist, wünschte ich wirklich, du würdest versuchen, es zu verstehen. Und wenn du das nicht kannst, dann wünschte ich, du würdest wenigstens versuchen, mich zu unterstützen. Geht das?«
Obwohl meine Stimme ihn praktisch anfleht, mich
anzusehen, irgendwie zu reagieren, sitzt er weiterhin nur schweigend da, verloren in der Landschaft seiner eigenen Gedanken.
Ich mache einen großen Sprung und hoffe, er kann mir folgen, als ich sage: »Damen, ich weiß, was du empfindest, glaub mir. Aber ich kann einfach nicht umhin zu vermuten, dass hinter unserer Geschichte noch mehr steckt. Eine ganze Lebensspanne, deren wir uns völlig unbewusst sind. Ich glaube, das ist die Lösung oder vielleicht auch der Schlüssel, wie Lotos es formuliert hat. Der Schlüssel, der uns zu dem Grund für all die Hindernisse führen wird, mit denen wir seit Jahrhunderten traktiert werden, einschließlich dessen, vor dem wir jetzt stehen.«
Aber wie gesagt, es war ein großer Sprung.
Ein Sprung, der mit einer kompletten Bauchlandung endet, als Damen aufsteht, sich vom Tisch entfernt und mich nur kurz ansieht. Seine ausdruckslose Miene und die kalte Stimme sagen mir, dass er Millionen von Meilen weit weg ist. »Ich schätze, das war’s dann wohl«, stößt er hervor. »Du hast dich entschieden. In dem Fall wünsche ich dir alles Gute und freue mich schon auf deine Rückkehr.«
ZWÖLF
B ist du sicher, dass du nicht reinkommen willst?«
Ich schüttele den Kopf und sehe Jude kurz an, ehe ich die kahlen winterlichen Sträucher betrachte, die einst mit prachtvollen pink- und violettfarbenen Pfingstrosen den Weg zu seinem Haus säumten.
»Dann willst du es also wirklich durchziehen?«
Ich nicke. Wahrscheinlich sollte ich wenigstens eine seiner Fragen verbal beantworten, doch im Moment ist meine Kehle viel zu zugeschnürt, um zu sprechen. Immer wieder läuft vor meinem geistigen Auge die letzte Szene mit Damen ab – seine abschließenden Worte, das, was er darüber gesagt hat, dass ich eventuell nicht zurückkehre, mich im Sumpf verirre und den Rückweg nicht finde. Ich sehe vor mir, wie er mich in seine Arme schloss, als er eigentlich schon fast aus dem Raum stürmen wollte, dann aber doch noch einmal zu mir hergekommen ist, da sein Körper gegen seinen Willen zu meinem strebte. Seine Umarmung war so warm, so allumfassend, so liebevoll und so … kurz, dass sie einen totalen und absoluten Gegensatz zu seinen Worten bildete, die kalt und abweisend klangen.
Und obwohl ich sein inneres Ringen gespürt habe, obwohl ich erkannt habe, wie sehr er darum gekämpft hat, sich von einem Unterfangen zu distanzieren, das in seinen Augen nur tragisch ausgehen kann, hätte ich doch ein bisschen mehr erwartet.
Obwohl ich wusste, dass ich die Sache allein anpacken muss, obwohl ich darauf bestanden habe, dass es meine und ganz allein meine Reise ist, bin ich immer noch davon ausgegangen, dass er mich wenigstens ins Sommerland begleiten würde.
Doch ich schlage mir den Gedanken aus dem Kopf und konzentriere mich wieder auf die Gegenwart – auf den Moment, in dem Jude vor mir steht, er auf der einen und ich auf der anderen Seite seiner Haustür.
»Und wo ist Damen nun?« Er späht auf die leere Stelle zu meiner Rechten. »Er begleitet dich doch, oder?«
Ich senke den Blick. Spüre mit Grausen, wie es mir in den Augen brennt – die altbekannten Warnsignale dafür, dass eine Tränenflut ansteht, doch ich halte sie auf. Ich darf nicht weinen.
Nicht hier.
Nicht vor Jude.
Nicht wegen etwas, wofür ich mich aus freien Stücken entschieden habe.
Schließlich schaffe ich es, mich zusammenzureißen. »Ich gehe allein«, antworte ich. »Das ist etwas, was ich allein tun muss. Das hat Lotos unmissverständlich klargemacht.« Ich zucke die Achseln, als wäre es keine große Sache, und hoffe, dass er mir das abkauft.
Er lehnt sich
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