Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
Spur ist. Und ich weiß einfach in meinem Herzen, dass ich das tun muss – nein, streich das, ich weiß in meiner Seele,
dass es meine Bestimmung ist, das zu tun. Es ist, wie sie gesagt hat, es ist eine Bestimmung, die nur ich erfüllen kann. Und obwohl ich wünschte, du könntest mich begleiten, obwohl ich mir das mehr als alles andere wünsche, hat sie auch unmissverständlich klargemacht, dass das nicht geht. Und …«
Ich schlucke, und der Kloß in meinem Hals ist wie ein zorniger, heißer Feuerball, doch ich überwinde ihn und füge hinzu: »Und ich hoffe nur, dass du es irgendwie akzeptieren kannst, auch wenn du es nicht wirklich unterstützen willst.«
Damen nickt und lässt sich mit seiner Antwort Zeit. Er streckt die Beine vor sich aus, schlägt sie an den Knöcheln übereinander und fährt mit dem Finger um den Flaschenhals. »Du willst mir also damit sagen, dass nichts, was ich sagen oder tun könnte, dich davon abhalten wird, die Sache durchzuziehen? Dich allein auf den Weg zu machen?«
Ich senke den Blick, dankbar, dass unser Gespräch nicht zu dem Gezeter ausartet, das ich befürchtet habe, trotzdem bin ich erstaunt, dass es so eigentlich noch viel schlimmer ist. Heftiger Streit lässt sich ziemlich leicht beilegen, wenn erst einmal genug Gras über die Sache gewachsen ist, doch diese Art von widerwilligem Hinnehmen, von der ich mir eingebildet hatte, dass sie mich freuen würde, macht mich irgendwie traurig, und ich fühle mich einsam und deprimierend leer.
»Und wann willst du zu dieser Reise aufbrechen?«
»Bald.« Ich nicke zur Bekräftigung und zwinge mich, ihn anzusehen. »Eigentlich am liebsten gleich. Aufschieben bringt doch nichts, oder?«
Er vergräbt das Gesicht in den Händen, reibt sich eine Weile die Augen und bemüht sich nach Kräften, meinem Blick auszuweichen. Als er wieder aufsieht, starrt er in die
Ferne, vorbei an dem akkurat angelegten Garten, dem Pool und dem dahinter liegenden Ozean, zu einer beklemmenden geistigen Landschaft, die nur für ihn sichtbar ist, da er seine Gedanken sorgsam abschottet.
»Ich wünschte, du würdest das nicht tun«, sagt er, mit einfachen, aber von Herzen kommenden Worten.
Ich nicke.
»Aber wenn du darauf bestehst, dann bestehe ich darauf, dich zu begleiten.« Er sieht mich an. »Es ist zu gefährlich – zu …« Er runzelt die Stirn und streift sich das Haar aus dem Gesicht. »Zu vage, zu ungewiss – ich kann nicht einfach zusehen, wie du auf eigene Faust in den Matsch davontrottest. Ever, begreifst du denn nicht? Du bist meine ganze Welt! Ich kann dich nicht einfach auf die Reise irgendeiner verrückten Alten losspazieren lassen!«
Sein Blick begegnet meinem und zeigt mir den vollen Umfang seiner Entschlossenheit. Doch auch ich bin entschlossen, und Lotos’ Anweisungen waren kristallklar. Es ist meine Reise – meine Bestimmung, und Damen ist dort nicht willkommen. Irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, dass es einen Grund dafür geben muss – irgendwie denke ich, dass es diesmal vielleicht an mir ist, ihn zu beschützen, indem ich darauf bestehe, allein loszuziehen.
Ich will gerade etwas in der Richtung sagen, als er über den Tisch fasst, nach meiner Hand greift und »Ever …« sagt. Seine Stimme bricht beinahe, und er muss sich räuspern und von vorn anfangen. »Ever, was, wenn du nicht zurückkommst?«
»Natürlich komme ich zurück!« Ich falle fast vom Stuhl, rutsche ganz an die Kante vor und kann kaum glauben, dass er so etwas auch nur denkt. »Damen, ich würde dich nie verlassen! Mann, ist es das, was dich so verstört?«
»Nein«, antwortet er, nun mit gefassterer Stimme. »Ich hatte mehr in die Richtung gedacht: Was, wenn du nicht zurückkommen kannst? Was, wenn du festsitzt? Dich im Sumpf verirrst? Was, wenn du den Rückweg nicht mehr findest?« Sein verzweifelter Blick trifft meinen, und es ist offensichtlich, dass er – obwohl ich noch da bin, noch vor ihm sitze – bereits einen vorgestellten zukünftigen Verlust durchlebt.
Aber es ist nicht so, als würde ich es nicht begreifen. Nein, ich kann es sogar total nachvollziehen.
Nachdem er mich schon so viele Male in früheren Zeiten verloren hat, fürchtet er, mich erneut zu verlieren, gerade dann, als er sicher war, mich für alle Ewigkeit zu haben. Die schiere Tiefe seines Gefühls raubt mir den Atem, macht mich sprachlos und demütig, sodass mir keine leichte Antwort einfällt, keine einfache Methode, ihn zu trösten.
»Dazu kommt es nicht«, sage ich
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