Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
von Fragen abfeuert, die sich Damen allesamt zu beantworten bemüßigt fühlen wird.
Doch zum Glück – wovon ich in letzter Zeit nicht viel hatte, das ich aber gern in jeder Form, in der es erscheint,
annehme – rettet mich Sabine, indem sie nach Mr. Muñoz ruft: »Paul? Alles in Ordnung da draußen?«
Er atmet geräuschvoll ein und sieht uns abwechselnd an. Da ich es nicht riskieren kann zu sprechen, nicht riskieren kann, dass sie meine Stimme vor ihrem Fenster hört, schüttele ich nur den Kopf und werfe ihm einen flehentlichen Blick zu.
»Ja, alles bestens«, sagt er zu meiner enormen Erleichterung. »Ich genieße nur die Nacht, schaue ein bisschen in die Sterne und suche nach Kassiopeia. Du weißt ja, dass ich das gern mache. Bin gleich wieder da.«
»Soll ich rauskommen?«, fragt sie mit verführerischer Stimme, eine Einleitung zu etwas, was ich unter keinen Umständen mit ansehen will.
»Nee, es ist ziemlich kalt hier draußen. Mach dir ein paar warme Gedanken, ich bin gleich wieder bei dir«, erwidert er, und mir fällt ein Stein vom Herzen.
Erneut mustert er uns beide und studiert uns von oben bis unten. Sein Mund öffnet sich, als wollte er noch etwas sagen, doch ich schüttele den Kopf, schließe die Augen und manifestiere rasch einen Strauß Narzissen, den er ihr geben soll.
»Was soll ich ihr sagen? Was?«, flüstert er und wirft einen vorsichtigen Blick zum Fenster.
»Am besten sagen Sie gar nichts und erwähnen es überhaupt nicht«, entgegne ich. »Aber wenn Sie unbedingt wollen, sagen Sie ihr, dass ich sie unheimlich lieb habe. Sagen Sie ihr, dass mir der ganze Ärger leidtut, den ich ihr gemacht habe, und dass sie keine Minute mehr ein schlechtes Gewissen wegen irgendetwas haben soll, das sie mir aus Ärger oder Frustration an den Kopf geworfen hat. Ich weiß, es klingt herzlos und aus Ihrer Perspektive wahrscheinlich
ziemlich schlimm, aber bitte versuchen Sie einfach, mir zu vertrauen, wenn ich sage, dass es besser so ist. Wir können einander nicht wiedersehen. Es ist ausgeschlossen; sie wird es nicht akzeptieren, und es ist einfach unmöglich zu erklären. «
Noch ehe Mr. Muñoz reagieren kann, ehe er Position beziehen und ein wie auch immer geartetes Versprechen abgeben kann, drückt Damen fest meine Hand und zerrt mich den Gartenweg entlang und zum Seitentor hinaus.
Wir verschwinden in der Nacht, bis uns Mr. Muñoz nicht mehr sehen kann.
Wir werfen keinen Blick zurück, denn wir wissen, es ist besser, nach vorn zu blicken, in die Zukunft, als sich nach einer Vergangenheit zu sehnen, die ein für alle Mal vorbei ist.
ELF
D a es unser letzter gemeinsamer Abend ist – oder überhaupt unser letzter Abend für einen ungewissen Zeitraum – , möchte ich etwas Besonderes machen.
Etwas Denkwürdiges.
Etwas, an das Damen mit einem Lächeln zurückdenken kann.
Aber es sollte wahrscheinlich auch wieder nicht allzu denkwürdig sein, da ich es mir nicht leisten kann, ihn dahinterkommen zu lassen, dass ich ihm etwas verschweige, was ich momentan einfach noch nicht erwähnen will.
Obwohl ich mich schon kurz nachdem wir das Sommerland verlassen haben, entschlossen habe, zu Lotos’ Reise aufzubrechen, weiß Damen davon noch nichts. Und da ihn einzuweihen, garantiert zu einem Streit von gigantischen Ausmaßen führen wird, möchte ich meine Entscheidung so lange für mich behalten, bis ich keine andere Wahl mehr habe, als sie ihm mitzuteilen.
Während er sich nun also die Zähne putzt und sich bettfertig macht, schlüpfe ich unter die Decke und versuche, mir etwas einfallen zu lassen, womit ich ihn überraschen kann. Doch als er kurz darauf in der Tür steht, eine strahlende Erscheinung in blauer Seide, kann ich nur noch schlucken und starren, während ich eine rote Tulpe manifestiere, die aus meiner Hand in seine schwebt.
Lächelnd kommt er auf mich zu und schlüpft neben mir
ins Bett. Sacht fährt er mir über die Stirn und streicht mir das Haar aus dem Gesicht, ehe er mich in seine Armbeuge bettet und mich zärtlich an sich drückt. Die Wange fest gegen seine Brust gepresst, schließe ich die Augen und verliere mich im Rhythmus seines Herzschlags, dem Beinahe-Gefühl seiner Lippen und seinen streichelnden Händen. Ich lege ein Bein über seines und verankere mich quasi an ihm, während ich mich auf seine Essenz –, seine Energie – sein Wesen konzentriere, entschlossen, mir noch das kleinste Detail dieses Augenblicks ins Gehirn einzubrennen, damit er mir nie verloren geht.
Und
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