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Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig

Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig

Titel: Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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atemlos wie von der Wanderung. Ich genieße den majestätischen Anblick in all seiner Ehrfurcht gebietenden Weite – die Äste, die hoch in den Himmel aufragen, die glänzenden grün-goldenen Blätter, die vibrierende Aura, die ihn auf allen Seiten umgibt. Mir fällt auf, dass die Luft wärmer geworden ist, obwohl angesichts der Höhe eigentlich das Gegenteil der Fall sein müsste.
    »Das ist er also«, flüstere ich wie in Trance vor mich hin. Ich bin so beeindruckt, so überwältigt von dem Farbenspiel, dass ich Feinde und Schmerzen vorübergehend ganz vergesse.
    Zumindest für den Moment bin ich eine Pionierin, eine Pilgerin, eine Erstbegeherin dieses herrlichen Neulands. So erfüllt bin ich von dem Wunder vor meinen Augen, dass ich völlig sprachlos bin. Keine Worte könnten dem je gerecht werden.

    Ich fand ja schon die Großen Hallen des Wissens umwerfend, aber das hier – also, so etwas habe ich noch nie gesehen. Noch nie habe ich etwas auch nur annähernd so Großartiges erblickt.
    Doch schon bald weicht meine Ehrfurcht, und ich bin erneut auf der Hut. Mein anfänglich so faszinierter Blick wird rasch von Argwohn überrollt, und so sehe ich mich überall um, spähe in sämtliche Richtungen und suche nach Spuren von meinen Reisegefährten.
    Ich habe nicht vergessen, wie in Rafes Augen eine unausgesprochene Drohung aufblitzte, als er seinen Anspruch auf die Frucht erklärte. Mir ist klar, dass ich sie am besten überwältige, indem ich sie überrumpele, sie in einem Moment der Unaufmerksamkeit erwische, wenn sie gar nicht mit einem Angriff rechnen.
    Am besten verhalte ich mich ruhig, bewege mich unauffällig und lasse sie nicht im Leisesten erahnen, dass ich zurückgekehrt bin.
    Ich bahne mir den Weg durch das verschlungene Gewirr aus Wurzeln, bis ich weit genug gekommen bin, um den gigantischen Stamm genauer betrachten zu können. Er ist so breit wie ein Haus, und seine Äste reichen so hoch, dass er aussieht wie ein Wolkenkratzer der Natur. Und ich bin gerade an seinem Fuß angelangt, als ich sie sehe.
    Sie sehen genauso blutig und zerschunden aus wie ich wahrscheinlich – und ich weiß, dass sie sich das gegenseitig angetan haben, dass sie wie die Höllenhunde miteinander gekämpft haben, um als Erste hier anzukommen. Und obwohl Misa und Marco in der Überzahl waren, hat es den Anschein, als hätte Rafe gewonnen.
    Er klammert sich an einen Ast, der ein paar Meter weit entfernt von dem ist, an dem Misa und Marco hängen.

    Und als ob dieser Anblick nicht schon schlimm genug wäre – als würde mich die Tatsache, dass sie mich um Längen geschlagen haben, nicht schon genug niederschmettern –, kommt es noch schlimmer. Rafe ist nicht nur uns allen zuvorgekommen, sondern hält bereits die Frucht in der Hand.
    Er hat es geschafft.
    Ihm ist gelungen, was wir nicht zu Stande gebracht haben.
    Ich sehe es an seinem siegessicheren Grinsen. Ich höre es an seinem Triumphschrei.
    Er hat gewonnen.
    Wir haben verloren.
    Ich habe verloren.
    Und nun müssen tausend Jahre vergehen, ehe wir eine zweite Chance bekommen.
    Doch auch diese offenkundige Niederlage hindert mich nicht daran, hastig an der Seite hochzuklettern, die Finger tief in die Rinde zu krallen und mit den Füßen verzweifelt nach einem Halt zu suchen. Obwohl das Spiel eindeutig zu Ende ist, obwohl Rafe zweifellos gesiegt hat, weigere ich mich, klein beizugeben und die Flinte ins Korn zu werfen.
    Er wird mir meine Bestimmung nicht rauben.
    Er wird mir meine letzte Chance, mit dem Universum wieder ins Reine zu kommen, nicht wegnehmen.
    Ich warte nicht noch einmal tausend Jahre.
    Sein Blick fällt auf mich. Mein Bemühen scheint ihn zu amüsieren. Er hebt die Frucht hoch in die Luft, so hoch, dass wir alle sie sehen können. Dann hält er inne und genießt seinen Sieg.
    Ohne den Blick von mir abzuwenden, schiebt er sich die Frucht mit breitem Grinsen zwischen die Zähne und beißt zu.

DREIUNDREISSIG
    I ch klammere mich an meinen Ast und will eigentlich gar nicht zusehen, doch ich kann den Blick nicht abwenden, so überwältigt bin ich vor Scham und Erniedrigung darüber, besiegt worden zu sein. Aus der Bahn geworfen durch die schreckliche Erkenntnis, dass ich bei der einzigen Aufgabe versagt habe, für die ich geboren bin.
    Mein Körper ist nur noch ein schmerzendes, blutendes Häufchen Elend, mein Seelengefährte ist überzeugt davon, dass ich ihn verlassen habe, und Rafe tut sich demonstrativ an der Frucht gütlich.
    Und wozu?
    Was war der Sinn des

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