Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
Porträtmaler ansieht und wie …, wie arrogant und eitel und, na ja, eingebildet er ist. Und obwohl ein Hauch jener Verruchtheit an ihm ist, die mir gefällt, hier ist sie nicht ganz so verspielt, wie ich es gewohnt bin. Es ist sehr viel weniger Komm, lass uns die Schule schwänzen und auf der Rennbahn wetten und sehr viel mehr Das hier ist meine Welt, und du kannst von Glück sagen, dass ich dich darin leben lasse.
Und je länger ich die beiden ansehe - Drina sitzt ganz brav auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne, die Hände sittsam im Schoß gefaltet und das Haar mit so viel Juwelen und Bändern und Glitzerkram geschmückt, dass es an jedem anderen lächerlich aussehen würde, und Damen steht hinter ihr, eine Hand auf der Lehne ihres Stuhls, die andere hängt herunter, das Kinn angehoben und die Brauen auf so eine coole, hochmütige Art und Weise hochgezogen … Also, er hat einfach irgendetwas an sich, irgendetwas ist in seinem Blick, das fast grausam ist, skrupellos sogar. Als wäre er bereit zu tun, was immer notwendig ist, was immer es kostet, um zu bekommen, was er will.
Und obwohl er sein »Vorher-Bild« sehr oft erwähnt hat, das seines früheren, narzisstischen, machtgierigen Ich - davon zu hören, ist eine Sache; es vor sich zu sehen, ist etwas ganz anderes.
Doch obwohl noch drei weitere Porträts an der Mail dranhängen, werfe ich nur einen ganz flüchtigen Blick darauf. Miles interessiert nur die Tatsache, dass Damen und Drina vor Hunderten von Jahren zusammen auf einer Leinwand festgehalten worden sind und dass sie es auf jedem weiteren Porträt, von denen manche laut der Rahmenschildchen im Abstand von mehreren Jahrhunderten gemalt worden sind, irgendwie schaffen, jung, schön und beängstigend unverändert auszusehen. Damens Auftreten ist ihm völlig schnuppe, wie er sich hielt, der Ausdruck in seinen Augen - nein, das war eine Überraschung für mich.
Ich reiche Damen das Handy und sehe, wie seine Finger ganz leicht zittern, als er es nimmt und rasch die Bilder durchsieht, ehe er es mir zurückgibt. Seine Stimme ist leise und gefasst, als er sagt: »Ich habe das schon einmal gelebt, ich brauche es nicht noch mal zu sehen.«
Ich nicke und verstaue das Handy wieder in meiner Tasche, lasse mir zu viel Zeit dabei, weiche ganz offenkundig seinem Blick aus.
»Jetzt hast du ihn also gesehen. Das Ungeheuer, das ich früher einmal war.« Seine Worte treffen mich direkt ins Herz.
Ich schlucke und lasse meine Handtasche auf den dicken Teppich fallen, ein unbezahlbares antikes Stück, das eigentlich in ein Museum gehört und nicht so im Alltag benutzt werden sollte. Seine seltsame Wortwahl erinnert mich an mein Gespräch mit Ava - jeder hat ein Ungeheuer, eine dunkle Seite, keinerlei Ausnahmen . Und obwohl die meisten Menschen ihr Leben lang entschlossen sind, es zu begraben, es ganz tief unten einzusperren, wenn man so lange gelebt hat wie Damen, dann wird man wohl von Zeit zu Zeit mit ihm konfrontiert.
»Es tut mir leid«, sage ich, und plötzlich geht mir auf, dass das tatsächlich stimmt. Es spielt doch kaum eine Rolle, wo wir gewesen sind. Wo wir jetzt sind, das ist es, was zählt. »Ich … Ich habe wohl nicht damit gerechnet und war ein bisschen verdattert. So habe ich dich noch nie wirklich gesehen.«
»Nicht mal im Sommerland?« Er sieht mich an. »Nicht einmal in den Großen Hallen des Wissens?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, das habe ich meistens alles im Schnelldurchlauf vorgespult. Ich konnte es nicht ertragen, dich mit Drina zu sehen.«
»Und jetzt?«
»Und jetzt …« Ich seufze. »Drina macht mir jetzt nichts mehr aus - nur noch du.« Ich versuche zu lachen, die Stimmung etwas aufzulockern, doch es klappt nicht ganz.
»Also, wenn ich mich nicht irre, dann nennt man so etwas Fortschritt, glaube ich.« Er lächelt, zieht mich in seine Arme und drückt mich fest an seine Brust.
»Und Miles?« Mein Blick erforscht sein Gesicht, die Neigung seiner Stirn, den kantigen Unterkiefer, und meine Finger kratzen in den Stoppeln, die dort wachsen. »Was sollen wir ihm sagen? Wie sollen wir das jemals erklären?« Mein Zögern, meine flüchtige Ablehnung seins alten Ichs ist endgültig verschwunden. Unsere Vergangenheit mag uns formen, aber sie bestimmt nicht, zu wem wir werden.
»Wir sagen ihm die Wahrheit.« Er nickt, und seine Stimme ist fest, als ob er das wirklich ernst meint. »Wenn die Zeit gekommen ist, sagen wir ihm die Wahrheit. Und so, wie sich die Dinge entwickeln, wird das
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