Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
schüttele den Kopf und lehne mich ihm entgegen, umklammere die Armlehnen des Stuhls und bemühe mich mit aller Kraft, still zu sitzen, nicht wieder dorthin zu gehen. »Aber was ist, wenn du dich irrst?«, stoße ich mit
weit aufgerissenen Augen hervor. Meine Stimme ist hoch und zittrig. »Was ist, wenn man es nicht wieder hinkriegen kann? Was ist, wenn ich …, wenn ich endgültig kaputt bin?«
Er geht um den Schreibtisch herum, lässt sich auf seinen Stuhl fallen und dreht sich hin und her, während er mich bedächtig mustert. Seine Miene ist ruhig, gelassen, nicht zu deuten. Doch irgendetwas an dieser Bewegung, an diesem sanften, ständigen Drehen, beruhigt mich auf der Stelle. Erlaubt es mir, mich auf meinem Stuhl zurückzulehnen, langsamer zu atmen und mich darauf zu konzentrieren, wie seine Dreadlocks über das bunte Ganesh-Bild auf seinem T-Shirt fallen.
»Hör zu«, sage ich schließlich. Allmählich fühle ich mich besser, fast schon wieder wie ein Mensch. »Ich … Es tut mir leid, dass ich hier so reinplatze. Eigentlich war ich unterwegs hierher, um dir das hier zu geben.« Ich greife nach meiner Tasche, wühle nach dem kleinen weißen Päckchen und reiche es ihm. Sehe zu, wie er einen Blick auf den Inhalt wirft, während ich erkläre: »Das sind die Medikamente von deinem Rezept. Ich habe sie vorhin abgeholt und wollte sie dir eigentlich auf deinen Schreibtisch legen, aber dann habe ich sie ganz vergessen, bis eben.«
Er nickt und schweigt einen Moment lang, während er mich weiterhin eingehend betrachtet. Dann fragt er: »Ever, was geht hier wirklich ab? Du bist doch eindeutig nicht hier, um über meine Medikamente zu reden.« Er schiebt die Tabletten mit seinem Gipsarm beiseite und fängt meinen Blick auf, während er hinzufügt: »Glaub mir, ich habe nicht vor, die Dinger zu nehmen. Schmerztabletten und ich - das ist keine gute Mischung. Wie du bestimmt bereits festgestellt hast.«
Und als er mich ansieht, weiß ich, dass er sich erinnert. An alles. An das komplette Geständnis, das er abgelegt hat.
Ich presse die Lippen zusammen und schaue zu Boden, fummele am Saum meines Kleides herum und weiß genau, dass es nichts bringt, als ich einwende: »Na ja, vielleicht solltest du wenigstens die Antibiotika nehmen. Du weißt schon, damit es keine Infektion gibt und so.«
Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und legt die Füße auf den Schreibtisch. Kreuzt die Knöchel, während seine verblüffend grünen Augen schmal werden. »Was hältst du davon, wenn wir das alles abhaken und zur Sache kommen - was läuft wirklich bei dir?«
Ich hole tief Luft und streiche mir das Kleid über den Knien glatt, ehe ich ihm vorsichtig ins Gesicht schaue. »Ich bin wirklich hergekommen, um dir die Tabletten zu bringen. Aber auf dem Weg hierher ist was passiert … und …« Ich weiß, dass ich zum Punkt kommen, es endlich ausspucken muss, bevor ihm die Geduld ausgeht. »Ich glaube, ich habe aus Versehen Roman an mich gebunden.«
Er schaut mich an und gibt sich alle Mühe, nicht zurückzuzucken, aber irgendwie tut er es doch.
»Oder, eigentlich habe ich mich an Roman gebunden. Aber nicht mit Absicht, es war ein Versehen. Ich wollte genau das Gegenteil tun, aber dann, als ich versucht habe, es rückgängig zu machen, ist alles nur noch schlimmer geworden. Und auch wenn du überhaupt keinen Grund hast, mir zu helfen, glaub es oder nicht, aber ich habe sonst niemanden, an den ich mich wenden könnte.«
»Niemanden? Bist du sicher?«
Ich raffe meine Worte zusammen und hoffe, dass sie ihn
überzeugen werden, als ich mit einem hörbaren Seufzer antworte: »Ich weiß, was du denkst, aber das kannst du gleich vergessen. Ich kann es Damen nicht sagen. Er darf nie erfahren, was ich getan habe. Er arbeite nicht mit Magie, eigentlich traut er ihr nicht recht, also kann er auch nicht helfen. Ich würde ihn nur für nichts und wieder nichts verletzen und enttäuschen. Aber du - du bist anders. Du kennst dich mit Zaubersprüchen aus. Und ich brauche Hilfe von jemandem, der mit so etwas vertraut ist und … Na ja, da habe ich gedacht, du könntest mir zeigen, wie man das wieder in Ordnung bringt.
»Hört sich an, als ob du da eine ganze Menge Vertrauen in mich setzt.« Jude wirft seine Dreadlocks über die Schulter und legt die Arme in den Schoß.
»Vielleicht. Aber ich halte es auch wirklich für gerechtfertigt. Ich meine, jetzt, da ich beweisen habe, dass du nicht böse bist.« Mit einem Kopfnicken deute ich auf seine Arme,
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