Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
es nicht so ist, da habe ich ihn schnell in die Notaufnahme gebracht.«
»Und das hast du mir nicht erzählt, weil …?« Offensichtlich gekränkt durch diese Unterlassung, sieht er mich an.
Ich seufze und blicke ihm unverwandt ins Gesicht, als ich antworte: »Weil es mir peinlich war. Weil ich andauernd Mist baue und ich nicht wollte, dass du die Geduld mit mir verlierst. Ich meine, nicht dass ich dir die Schuld gebe, aber trotzdem.« Ich zucke die Achseln und kratze mich am Arm,
obwohl der gar nicht juckt. Noch so eine nervöse Angewohnheit von mir.
Er legt mir die Hände auf die Schultern und sieht mir fest in die Augen. »Meine Gefühle für dich sind nicht von irgendetwas abhängig. Ich urteile nicht über dich. Ich verliere nicht die Geduld mit dir. Ich bestrafe dich nicht. Ich liebe dich einfach. Das ist alles. Schlicht und einfach.« Seine Augen forschen in meinem Gesicht, und sein Blick ist so warm, so liebevoll, erfüllt so eindeutig das Versprechen seiner Worte. »Du hast keinen Grund, jemals etwas vor mir zu verbergen. Verstanden? Ich gehe nicht weg. Ich werde immer für dich da sein. Und wenn du irgendetwas brauchst, wenn du in der Klemme steckst oder dich übernommen hast, dann brauchst du nur zu fragen, und ich bin da, um dich rauszuholen.«
Ich nicke und bringe kein Wort hervor; ich fühle mich so gedemütigt von meinem verblüffend glücklichen Geschick, habe so unglaubliches Glück, von jemandem wie ihm geliebt zu werden - auch wenn ich nicht immer sicher bin, dass ich es verdiene.
»Also geh und kümmere dich um deinen Freund, ich kümmere mich um die Zwillinge, und wir treffen uns morgen, okay?«
Ich beuge mich vor und küsse ihn rasch, dabei achte ich darauf, seine Hand loszulassen, denn wir streben in verschiedene Richtungen. Ich schließe die Augen lange genug, um mir das Portal vorzustellen, den schimmernden goldenen Schleier, der mich nach Hause bringen wird.
Ich lande vor Judes Tür, nehme mir einen Moment, um ein paar Mal anzuklopfen und lasse ihm dann reichlich Zeit, zu öffnen, ehe ich beschließe, das Warten aufzugeben und ungebeten einzutreten. Ich suche in jedem Zimmer seines
kleinen Strandhauses, einschließlich der Garage und des Gartens, bevor ich die Tür abschließe und mich zum Laden aufmache.
Doch auf dem Weg dorthin komme ich an Romans Geschäft vorbei. Und nur ein einziger Blick ins Schaufenster ist notwendig, ein Blick auf das Schild über dem Fenster, auf dem RENAISSANCE! steht, ein Blick auf die offene Ladentür, die geradewegs zu ihm führt - und die Magie des Sommerlandes ist auf einen Schlag verschwunden und dieser seltsame Puls, dieser grauenhafte Eindringling, hat wieder die Oberhand gewonnen.
Ich versuche, mich mit reiner Willenskraft vorwärtszuzwingen, raffe jedes letzte bisschen Kraft zusammen, um an dem Geschäft vorbeizukommen. Doch meine Beine sind zu schwer, wollen nicht mitmachen, und mein Atem geht zu flach und zu schnell.
Ich bin wie festgewurzelt. Unfähig zu fliehen. Überwältigt von diesem grauenhaften Bedürfnis, ihn zu finden, ihn zu sehen, bei ihm zu sein. Dieser grässliche Eindringling übernimmt die Regie, als wäre mein Zauberabend nie gewesen. Als hätte ich niemals Frieden gehabt.
Jetzt ist die Bestie erwacht und verlangt, gesättigt zu werden. Und trotz all meiner Mühen, von hier zu verschwinden, ehe es zu spät ist - es ist zu spät. Er hat mich gefunden.
»Na, sieh mal einer an, du hier.«
Roman lehnt in der Tür, goldenes Haar und leuchtend weiße Zähne, die Augen unverwandt auf mich geheftet. »Du siehst ziemlich … fertig aus. Alles in Ordnung?« Sein aufgesetzter britischer Akzent lässt seine Stimme auf eine Art und Weise ansteigen, die mir normalerweise unglaublich auf die Nerven geht, jetzt jedoch - jetzt finde ich das so reizvoll, dass ich nur mit größter Mühe auf der Stelle
verharre. Und weiter diese titanische Schlacht schlage, die in meinem Innern tobt - ich gegen diesen seltsamen, fremden Puls.
Er lacht, den Kopf so zurückgeworfen, dass man das Ouroboros-Tattoo auf seinem Hals deutlich sehen kann. Die Schlange ringelt und windet sich, ihre Knopfaugen suchen die meinen, während ihre lange, dünne Zunge mich näher heranwinkt.
Und trotz allem, was ich über Gut und Böse weiß, über Richtig und Falsch, Unsterbliche und Abtrünnige, trete ich vor. Mache einen kleinen Schritt auf die Niederlage zu, dem schnell ein weiterer folgt. Und dann noch einer. Mein Blick ist fest auf Roman gerichtet - auf den
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