Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
wunderschönen, prachtvollen Roman. Er ist alles, was ich sehen kann. Alles, was ich brauche. Nur ganz entfernt bin ich mir jenes schwachen Glimmens meines Selbst bewusst, das irgendwo in meinem Innern noch vorhanden ist, das sich wehrt und schreit und Gehör fordert. Doch es kommt einfach nicht dagegen an. Und es dauert nicht lange, bis es von dem unerbittlichen Puls zum Schweigen gebracht wird, der jetzt in mir wohnt - und nur eins im Sinn hat.
Sein Name schwillt auf meinen Lippen, als ich direkt vor ihm stehe, so dicht, dass ich jeden einzelnen violetten Flecken in seinen Augen erkennen und die scharfe Kühle spüren kann, die von seiner Haut ausgeht. Dieselbe Kühle, die ich einst so abstoßend gefunden habe, so widerwärtig, aber jetzt nicht mehr. Jetzt ist es eine willkommene Sirene, die mich heimruft.
»Ich habe immer gewusst, dass du es dir noch mal überlegst.« Er grinst, und sein Blick ergreift gemächlich Besitz von mir, während er die Finger in mein wirres Haar gräbt. »Willkommen auf der dunklen Seite, Ever, ich glaube, du
wirst hier recht glücklich sein.« Er lacht, und der Klang seines Gelächters umschließt mich in einer köstlichen, frostigen Umarmung. »Wundert mich ja nicht, dass du diesen alten Wichser Damen abgehängt hast. Hab mir gedacht, dass du ihn irgendwann über kriegst. All dieses Warten …, diese Ängste …, diese fürchterliche Seelenschau … Gar nicht zu reden von all den guten Taten. « Er schüttelt den Kopf und verzieht das Gesicht, als täte ihm allein der Gedanke weh. »Ich weiß nicht, wie du das so lange ausgehalten hast. Und darf ich fragen, wozu? Denn ich sage dir das ja echt ungern, Schätzchen, aber es gibt keine künftigen Belohnungen da oben, wenn deine Zukunft direkt hier liegt.« Er stampft mit dem Fuß auf. »Verdammte Zeitverschwendung, genau das ist es. Es bringt nichts, Erfüllung aufzuschieben, wenn sie sofort genossen am besten ist. Es gibt Freuden zu genießen, Ever. Genüsse von einem Ausmaß, das du nicht einmal ansatzweise zu begreifen vermagst. Aber zu deinem Glück bin ich ein Mensch, der verzeiht. Ich bin mehr als gern bereit, als dein Führer zu fungieren. Also, sag mir, wo sollen wir anfangen, Schätzchen, bei dir oder bei mir?«
Seine Finger streichen über meine Wange, meine Schulter, arbeiten sich zum lockeren Ausschnitt meines Kleides hinab. Und obwohl es sich eisig kalt anfühlt, anregend im wahrsten Sinne des Wortes, kann ich nicht anders, ich lehne mich seiner Berührung entgegen, kann nicht anders, als die Augen zu schließen und in dieses Gefühl einzutauchen, ihn stumm zu drängen, tiefer zu tasten, weiter zu erforschen, bereit, überallhin zu gehen, wohin er mich führt.
»Ever? Bist du das? Willst du mich verarschen?«
Ich öffne die Augen und sehe Haven neben uns stehen. Ihre zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen Augen flammen vor Zorn, als ihr Blick zwischen Roman und mir
hin und her zuckt. Und werden auch nicht sanfter, als er lacht und mich wegstößt, sich meiner schnell und leicht entledigt, als bedeute es ihm gar nichts.
»Hab’s dir doch gesagt, sie kommt wieder, Schätzchen.« Sein Blick gleitet über meinen zitternden, schweißbedeckten Körper, der so von unerwiderter Sehnsucht überwältigt ist, dass es mich schmerzt zu sehen, wie er die Arme um sie legt. Die beiden kehren mir den Rücken zu und gehen wieder in den Laden. »Du kennst doch Ever«, sagt er. »Die kann einfach nicht wegbleiben.«
ELF
I ch renne los. Lege binnen Sekunden mehrere Straßenblocks zurück, erscheine allen, an denen ich vorbeikomme, wie ein dahinrasender Schemen. Doch das ist mir egal. Es ist mir egal, was sie denken, was sie sehen. Nur eins ist für mich von Bedeutung: Mich von diesem furchtbaren Eindringling zu befreien, diesem mystischen Fremden, damit mein altes Ich zurückehren kann.
Ich stürme durch die Tür, als Jude sie gerade abschließen will und renne ihn fast über den Haufen, obwohl er flink aus dem Weg springt.
»Ich brauche Hilfe.« Keuchend stehe ich vor ihm, japsend, nach Luft schnappend, irreparabel beschädigt. »Ich … Ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.«
Er betrachtet mich mit zusammengekniffenen Augen und sorgenvoll gefurchter Stirn, dann führt er mich ins Hinterzimmer, wo er mit dem Fuß einen Stuhl heranzieht und mir bedeutet, Platz zu nehmen.
»Gaaanz ruhig«, brummt er beschwichtigend. »Schön tief durchatmen. Im Ernst, Ever, ganz gleich was los ist, das kann man bestimmt wieder hinkriegen.«
Ich
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