Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
das Diner vorüber, und er geleitet mich heim. Bringt mich zur Rückseite des Hauses und bleibt kurz vor dem Dienstboteneingang stehen, wo er die Arme um meine Taille schlingt, mich an sich zieht und mich so leidenschaftlich, so innig küsst, dass ich mir wünsche, es möge niemals enden. Wie sich seine Lippen auf den meinen anfühlen, so weich und eindringlich, so warm und einladend, wie sich dabei etwas tief im Innern regt …, etwas so Vertrautes …, etwas so Wirkliches …
Mit weit aufgerissenen Augen weiche ich zurück, während meine Finger forschend meine geschwollenen Lippen betasten, die Stelle auf meinen Wangen, wo seine Bartstoppeln gekratzt haben. Kein Energiefeld schwebt zwischen uns, kein schützender Schleier jeglicher Art. Nichts als das wundervolle Gefühl seiner Haut an der meinen.
Er lächelt, und seine Finger wandern über meine Wangen, meinen Hals hinab, an meinem Schlüsselbein entlang; rasch nehmen seinen Lippen ihren Platz ein. Es ist auch wirklich, denkt er. Es ist kein Schutzschild notwendig. Hier besteht keine Gefahr.
Ich sehe ihn an, und mein Verstand rast vor lauter Möglichkeiten. Ist es … Ist es wirklich möglich, dass wir zusammen sein können …, jetzt …, hier? Ich klammere mich an die verzweifelte Hoffnung, dass es so ist.
Doch er holt tief Luft und windet seine Finger durch meine, berührt mich auf eine Art und Weise, wie wir es seit Monaten nicht mehr erlebt haben. Ich fürchte, das hier ist nur ein Theater der Vergangenheit, denkt er. Du kannst das Skript bearbeiten, aber es ist nicht erlaubt, es abzuändern, zu improvisieren oder Erlebnisse hinzuzufügen, die nie stattgefunden haben.
Ich nicke, traurig über das Gehörte, aber eifrig bestrebt weiterzumachen; ich ziehe ihn wieder an mich und presse die Lippen auf seine, entschlossen, mit allem glücklich zu sein, was erlaubt ist, so lange, wie es eben andauern kann.
Und so küssen wir uns vor dem Gesindeeingang - er in seiner Weste aus fein gewebtem schwarzem Tuch und ich in meinem schlichten Dienstmädchenkittel.
Wir küssen uns im Stall - er in englischer Jagdkluft und ich in engen Reithosen, maßgeschneidertem rotem Rock und blitzblanken schwarzen Stiefeln.
Wir küssen uns am Ufer - er in dem schlichten weißen Hemd und den schwarzen Hosen unserer Zeit und ich in wenig schmeichelhafter Puritanertracht.
Wir küssen uns in einem Feld aus so roten Tulpen, dass sie genau zu meiner flammenden Mähne aus dichten Haarwellen passen. Er trägt ein dünnes weißes Hemd und weite Hosen, und ich ein Unterkleid aus altrosafarbener Seide, strategisch geschickt gebunden und geknotet. Hin und wieder legen wir eine Pause ein, damit er fortfahren kann, mich zu malen, hier einen Pinselstrich, da einen Farbtupfer hinzufügen, nur um den Pinsel hinzuwerfen, mich wieder an sich zu ziehen und mich abermals zu küssen.
Alle meine Leben, so verschieden, und doch verlaufen sie fast gleich - wir finden uns und verlieben uns rasch ineinander. Woraufhin Damen, entschlossen, nicht überstürzt zu handeln und zunächst mein volles Vertrauen zu gewinnen,
ehe er mir das Elixier verabreicht, so lange zögert, dass Drina genug Zeit hat, etwas zu merken und mich zu eliminieren.
Und deswegen hast du auch keine Zeit verloren, als du mich nach dem Unfall gefunden hast, denke ich. In die Wärme seiner Arme gebettet, die Wange fest an seine Brust geschmiegt, sehe ich den Augenblick aus seinem Blickwinkel. Wie er mich gefunden hat, als ich zehn war - mit ein wenig Hilfe von Romy und Rayne und dem Sommerland - und wie er die nächsten paar Jahre damit zugebracht hat abzuwarten, bis genug Zeit vergangen war und er nach Eugene in Oregon gezogen ist. Und sich gerade an meiner Highschool angemeldet hatte, als der Unfall passiert ist und all seine Pläne zunichtegemacht hat.
Ich sehe ihn am Unfallort, wie er zögert, sich quält, um Anleitung fleht. Wie er in Panik gerät, als der silbrige Faden, der den Körper mit der Seele verbindet, so dünn wurde, so gespannt, dass er von Neuem riss und ihn augenblicklich den Entschluss fassen ließ, die Flasche an meine Lippen zu drücken und mich zum Trinken zu zwingen, mich ins Leben zurückzuzwingen, zu zwingen, unsterblich zu werden wie er.
Bereust du es? Er sieht mich an, drängt mich, unbedingt ehrlich zu sein.
Doch ich schüttele nur den Kopf. Und lächele, als ich ihn wieder an mich ziehe und wieder auf das flammend rote Blumenfeld jenes längst vergangenen Tages zurückkehre.
DREIUNDZWANZIG
B ist du so
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