Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
die Bettkante, und meine Finger streichen die grüne Daunendecke glatt, während ich auf den Boden vor mir starre und an den Tag denke, an dem alles anders geworden ist. Der Tag, an dem ich Damen Lebewohl gesagt habe, der Tag, an dem ich dumm genug war, ihn Avas Obhut anzuvertrauen. So überzeugt, dass ich das Richtige tat …, das Einzige … Ich hatte ja keine Ahnung, dass eine kleine Entscheidung solche gewaltigen Auswirkungen haben würde, die mehr oder weniger mein ganzes Leben beeinflussen würden - den Rest der Ewigkeit.
Ich atme tief durch und lege den Kopf in die Hände. Befehle mir aufzustehen, wieder hinauszugehen, es mit ein wenig Smalltalk zu versuchen und mir dann eine Ausrede einfallen zu lassen, um zu verschwinden. Also reibe ich mir die Augen und fahre mit den Fingern durch mein Haar und über meine Kleider und will gerade genau das tun, als Ava hereinkommt und sagt: »Oh, schön, ich hatte gehofft, dich einen Augenblick allein zu erwischen.«
Ich presse die Lippen zusammen und kämpfe gegen das überwältigende Bedürfnis an, mich auf sie zu stürzen und die Faust auf all ihre Chakren zu schmettern, und wenn nur, um ein für alle Mal zu sehen, auf wessen Seite sie wirklich steht. Doch ich tue es nicht. Ich tue gar nichts. Stattdessen bleibe ich, wo ich bin, und warte darauf, dass sie den Anfang macht.
»Weißt du, du hast Recht, was mich betrifft.« Sie nickt und lehnt sich gegen Romys Kommode, die Knöchel überkreuzt; ihre Arme jedoch bleiben locker und offen. »Ich bin wirklich mit dem Elixier abgehauen. Und ich habe Damen wehrlos und gefährdet zurückgelassen. Da führt kein Weg dran vorbei.«
Ich sehe sie an, und mein Herz hämmert, obwohl ich es ja schon wusste, obwohl Damen es mir erklärt hat. Es ist eine ganz andere Erfahrung zu hören, wie sie es tatsächlich zugibt.
»Aber bevor du jetzt irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehst, ich fürchte, an all dem ist noch ein bisschen mehr dran. Trotz allem, was du vielleicht denkst, habe ich nie mit Roman unter einer Decke gesteckt. Ich habe nie gemeinsame Sache mit ihm gemacht, war nie mit ihm befreundet oder habe auf irgendeine Weise oder in irgendeiner Form mit ihm zusammengearbeitet. Er ist einmal vorbeigekommen, um sich die Zukunft deuten zu lassen, das stimmt, damals, als ich gerade angefangen hatte. Und um ehrlich zu sein, seine Energie war so verschroben, so erschreckend, dass ich ihm schweigend meinen Segen gegeben und ihn weitergeschickt habe. Aber der Grund, warum ich das getan habe - warum ich mich nicht um Damen gekümmert habe, nun ja, das ist ein ziemlicher Gewissenskonflikt.«
»Ganz bestimmt.« Ich ziehe die Brauen hoch und schüttele
den Kopf; ich habe nicht vor, Nachsicht mit ihr zu haben oder sie mit irgendeiner megakomplizierten Erklärung um den heißen Brei herumreden zu lassen.
Sie nickt, entschlossen, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Wie es ihre Art ist, lässt sie sich von meinem Ausbruch nicht beirren. »Ich gebe zu, zuerst habe ich mich von all den Möglichkeiten ein bisschen hinreißen lassen, die das Sommerland bietet, von all den fantastischen Gaben. Du musst das verstehen, ich war so lange auf mich allein gestellt, habe mich selbst durchgebracht und schwer für alles gearbeitet, was ich habe, ohne Hilfe von irgendjemandem, und meistens bin ich gerade eben so über die Runden gekommen …«
»Erwartest du wirklich, dass ich Mitleid mit dir habe? Denn wenn ja, dann lass stecken. Im Ernst, das wird nicht klappen.« Ich verdrehe die Augen.
»Ich versuche nur, dir ein bisschen Hintergrundwissen zu vermitteln.« Sie zuckt die Achseln, faltet die Hände vor dem Körper und krümmt und streckt die Finger. »Das ist keine Mitleidsmasche, glaub mir. Wenigstens habe ich eine wichtige Lektion darüber gelernt, Verantwortung für mein eigenes Leben zu übernehmen, denke ich. Ich versuche nur, meine anfängliche Reaktion auf das Sommerland zu erklären, wie hingerissen ich von der Fähigkeit war, alles an materiellen Dingen zu manifestieren, was ich wollte. Und ich weiß, ich habe ein bisschen übertrieben, und ich weiß auch, wie sehr dich das genervt hat. Aber nach einiger Zeit habe ich begriffen, dass ich mir zwar im Sommerland eine Villa voller Schätze bauen konnte, aber es würde mich nicht glücklicher machen - weder dort noch auf der Erdebene. Und da habe ich beschlossen, ein bisschen tiefer vorzudringen, zu versuchen, mich auf eine Art und Weise selbst
zu verbessern, wie ich es noch nie wirklich
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