Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
warmzuwerden, die er zuvor nie in Betracht gezogen hat.
Und als Miles schließlich den Mund aufmacht und fragen will, wie , nickt Damen nur und beantwortet bereitwillig die unausgesprochene Frage. »Mein Vater war in einer Zeit Alchemist, als es nichts Ungewöhnliches war, mit solchen Dingen zu experimentieren. «
» Und welche Zeit war das genau?«, will Miles wissen, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hat und offenbar nicht glaubt, dass es tatsächlich so lange her sein kann, wie Damen behauptet.
»Gut sechshundert Jahre – mehr oder weniger.« Damen zuckt die Achseln und tut es ab, als bedeuteten ihm die Anfänge sehr wenig.
Doch ich weiß es besser.
Ich weiß, wie sehr er die Zeit mit seiner Familie in Ehren hält, die gemeinsamen Erinnerungen, die ihnen so brutal geraubt wurden.
Und ich weiß auch, wie schwer es ihm fällt, das zuzugeben, und dass er es deshalb lieber kleinredet und so tut, als könnte er sich kaum erinnern.
»Es war während der italienischen Renaissance«, fügt er rasch hinzu.
Sie sehen einander weiterhin in die Augen, und obwohl er es nicht zeigt, sich absolut nichts anmerken lässt, weiß ich, dass es Damen fast umbringt, es eingestehen zu müssen.
Sein bestgehütetes Geheimnis, das er geschlagene sechs Jahrhunderte unter Verschluss gehalten hat, sprudelt nun aus ihm heraus wie Wasser aus einem geborstenen Rohr.
Miles nickt, ohne mit der Wimper zu zucken. Er überlässt seinen Shake einer neugierigen Möwe und schiebt den Becher beiseite, ehe er zu sprechen beginnt. »Ich weiß überhaupt nicht, was ich jetzt dazu sagen soll, außer vielleicht – danke.«
Er sieht Damen direkt in die Augen.
»Danke, dass du nicht gelogen hast. Dass du nicht versucht hast, alles zu vertuschen und zu behaupten, das auf den Porträts seien irgendwelche entfernten Verwandten von dir oder irgendein unerklärlicher Zufall. Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. So unglaublich und seltsam sie auch sein mag … «
»Du hast es gewusst?«
Ich lasse seine Hand mit einer so raschen Bewegung los, dass er einen Moment braucht, um zu begreifen, dass er nicht mehr in meiner Gewalt ist.
Er weicht ruckartig zurück, dehnt und beugt seine Finger und schüttelt die Gelenke aus, um den Blutfluss wieder in normale Bahnen zu lenken.
»Mein Gott, Ever, genug geschnüffelt?« Er schüttelt den
Kopf und geht im Laden auf und ab. Zornig schlängelt er sich zwischen den Bücherregalen durch, den Engelsfiguren und den CD-Ständern. Er braucht eine Weile, um mir zu verzeihen und Dampf abzulassen, bevor er auch nur bereit ist, mir wieder in die Augen zu sehen. Er lässt den Daumen über die Rücken einer langen Reihe Bücher wandern und wendet sich schließlich zu mir um. »Ich meine, es ist eine Sache, zu wissen, dass du Gedanken lesen kannst, aber eine ganz andere, wenn du tatsächlich ohne meine Zustimmung da eindringst und herumwühlst.« Darauf folgt noch ein gemurmelter Kommentar, der jedoch unverständlich bleibt.
»Es tut mir leid«, sage ich, da ich ihm eigentlich viel mehr schuldig bin als das, aber es ist immerhin ein Anfang. »Ehrlich. Ich … ich hab mir geschworen, das niemals zu tun. Und die meiste Zeit hab ich es auch eingehalten. Aber manchmal … na ja, manchmal ist etwas so dringend, dass ich es nicht ignorieren kann.«
»Du hast es also schon mal gemacht? Willst du das damit sagen?« Er wendet sich mit verkniffenem Mund um und ballt die Fäuste. Nun vermutet er das Schlimmste, nämlich dass ich mich unzählige Male in seinem Gehirn eingenistet hätte. Und obwohl es ganz und gar nicht so schlimm ist und es mir wirklich lieber wäre, nichts davon zugeben zu müssen, weiß ich auch, dass ich an diesem Punkt ansetzen muss, wenn ich mir überhaupt Hoffnungen darauf machen will, sein Vertrauen wiederzugewinnen.
Ich hole tief Luft und sehe ihm fest in die Augen. »Ja, ich habe mich ein paar Mal unangemeldet und ohne deine Erlaubnis eingeschlichen, und das tut mir ehrlich und aufrichtig leid. Ich weiß, was für eine Verletzung deiner Privatsphäre das für dich bedeuten muss.«
Er verdreht die Augen und kehrt mir den Rücken zu.
Dazu murmelt er auf eine Weise, die mich vor Scham innerlich zusammenzucken lassen soll – und das gelingt ihm auch.
Nicht dass ich ihm das übel nehmen würde. Nicht im Geringsten. Ich bin in seine Privatsphäre eingedrungen, daran lässt sich nicht rütteln. Ich hoffe nur, er kann lernen, mir zu verzeihen.
»Im Grunde sagst du mir damit also, dass ich keine
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